St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

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Erwachsenentaufe

Mit Gott ist Anaél in der Fremde nicht allein

Anaél Nguedjio hat viel gewagt. Sie hat sich auf den Weg gemacht nach Deutschland, um zu studieren. Sie hat sich einer fremden Kultur in einem fremden Land gestellt.

Jetzt wagt sie etwas Besonderes: Sie lässt sich taufen.

Anaél geht um die Kirche Christus König in Wilhelmshaven. Sie schaut sich um, wartet. Sie ist verabredet für ein Gespräch mit Pfarrer Holger Kintzinger. Thema: ihre Taufe. Und jetzt soll es so verwirrend beginnen?

Pfarrer Holger Kintzinger steht vor der Kirche St. Willehad in Wilhelmshaven. Er schaut sich um, wartet. Er ist mit einer jungen Frau aus Kamerun verabredet. Thema: ihre Taufe. Kintzinger überlegt, steigt ins Auto und fährt zur Nachbarkirche im Norden der Stadt, und er findet Anaél.

Die Vorbereitung auf die Taufe beginnt. Das war im Herbst. Seitdem treffen sich die 24-jährige Studentin Anaél Nguedjio und Pfarrer Kintzinger jede Woche. Sie sprechen über Gott und die Kirche, darüber, was es bedeutet, sich taufen zu lassen.

In der Feier der Osternacht ist es nun soweit: Anaél wird durch Pfarrer Kintzinger getauft, gefirmt und sie nimmt das erste Mal an der Kommunion teil.

Ein langer Weg hat sein Ende gefunden, ein Weg, der in Jaunde begonnen hat, der Hauptstadt Kameruns. Anaél wächst dort mit sieben Geschwistern auf.

Sie will Elektrotechnik studieren; der Vater rät zu einem Auslandsstudium und kann das erste Jahr auch finanzieren. Über Bekannte kommt sie nach Nürnberg und dann zur Jade-Hochschule in Wilhelmshaven.

Große Sorgen

Die junge Frau ist oft ratlos und verliert den Mut.

Wird sie die Prüfungen bestehen? Wird das Geld reichen?

 Sie arbeitet bei Volkswagen in Wolfsburg am Band, in einer Schokoladenfa-brik in Wilhelmshaven – und doch gibt es Monate, wo ihr nach allen festen Kosten nur 20 Euro zum Leben bleiben.

Es ist kein Wunder, dass Anaél oft zum Telefon greift und ihre Mutter anruft. Dort kann sie alle Sorgen loswerden und um Rat fragen. 5400 Kilometer liegen dann zwischen ihnen – und ein Berg von Problemen.

Die Mutter tröstet. Sie mahnt aber auch:

 »Ich bin nicht da – du bist allein. Helfen kann dir Gott. Ihn musst du bitten, er liebt dich.«

Anaél kann sich genau darin erinnern.

Auch an die Frage der Mutter, warum sie sich nicht taufen lasse?

Die Mutter ist katholisch, der Vater nicht, es kam nicht zur Taufe der Kinder, auch wenn Anaél schon einmal Glaubensunterricht genommen hatte.

Sie spürt heute selbst:

»Ich bitte Gott immer nur, wenn ich Probleme habe – die Verbindung ist nur oberflächlich. Ich habe gemerkt – das ist nicht gut.«

Freundinnen aus Kamerun, die mit ihr studieren, nehmen sie mit in die Christus-König-Kirche nahe beim Studentenwohnheim, Anaél besucht oft die Gottesdienste. Schritt für Schritt wagt sie sich an den großen Entschluss. Und meldet sich schließlich bei der Pfarrei.

Holger Kintzinger übernimmt die Vorbereitung, ein Pfarrer im Ruhestand, erfahren in dieser Aufgabe.

Der mit der 24-jährigen Studentin oft in lebendige Diskussionen gerät.

Über alle Fragen, die einen jungen Menschen berühren, wenn er tiefer in die Welt von Kirche und Glaube eintaucht.

Anaél blättert nun ganz anders in ihrem französischen Neuen Testament und der neuen deutschen Bibel.

Die hat Pfarrer Kintzinger ihr gegeben. Ihre schönste Stelle?

 »Die Schöpfungsgeschichte mit dem Paradies, wo es keine Kriege gibt und niemand hungern muss.«

Sie findet auch Stellen, die sie zweifelnd liest. Die Feinde lieben? Menschen, die einem Böses tun? Nicht so einfach, meint sie.

Von der Entscheidung zur Taufe hat Anaél das nicht abgebracht. Die 24-Jährige plant schon vor, hat ihre Mitstudentinnen Vanessa und Christelle in Wilhelmshaven und ihre Tante Alice aus der Schweiz gebeten, ihre Paten zu werden. Die Taufe wird ein großes Fest, glaubt sie.

Nur eines stimmt sie traurig. Ihre Mutter Christine wird nicht dabei sein. Ein Flug von Jaunde nach Deutschland würde mindestens 1600 Euro kosten; das ist zuviel für ihre Familie. »Aber wir machen für sie ein schönes Video«, sagt sie strahlend. »Und das schicken wir ihr dann nach Hause.«

Die Taufe von Erwachsenen

zurückliegenden zehn Jahren nach offiziellen Angaben im Schnitt 170 Erwachsene getauft worden. In ganz Deutschland waren es etwa 2700 im Jahr. Das ist in der Regel ein Sechstel aller Taufen.

Bis vor wenigen Jahrzehnten wurden Kinder möglichst sofort getauft. Das ist seit einigen Jahrzehnten nicht mehr so. Deshalb kommen häufig erwachsene Taufbewerber auf die Kirche zu.

Viele Taufbewerber sind auch zugewandert. Sie lernen in Deutschland die katholische Kirche und ihr Leben kennen und entscheiden sich deshalb für die Taufe.

In der Anfangszeit der Kirche war die Taufe Erwachsener die gängige Praxis, die Kindertaufe kam später.

In der Regel geht der Taufe eine Vorbereitungszeit voraus, in der die Bewerber in die Grundlagen des Glaubens eingeführt werden.

Die Kirche sieht die Taufe als Feier der ganzen Gemeinde. Deshalb werden die Bewerber öffentlich getauft, in vielen Gemeinden bei der Feier der Osternacht.

Erwachsene Täuflinge werden zugleich gefirmt und nehmen zum ersten Mal an der Kommunion teil.

Die Kirche in Kamerun

Staat Kamerun, der Heimat von Anaél Nguedjio, leben etwa 23 Millionen Menschen.

Davon sind nach offiziellen Angaben rund sechs Millionen katholisch.

Die Anfänge der Kirche dort sind verbunden mit einem Missionar aus dem Münsterland: Der aus Selm-Cappenberg stammende Pallottiner Heinrich Vieter wurde 1890 zum Präfekten der neu eingerichteten Apostolischen Präfektur für Kamerun ernannt.

Eine Präfektur ist die Vorstufe zu einem Bistum.

Quelle: Kirche+Leben vom 16. April 2017