St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

Navigationsmenüs (Bischöflich Münstersches Offizialat)

Mehr Respekt und Menschlichkeit

Die Telefonseelsorge wird 30. Beim grandiosen Festvortrag von Dr. Manfred Lütz in St. Peter wurde die bedeutende Rolle der Ehrenamtlichen am Telefon mehrfach hervorgehoben.

Sollten Sie einmal versehentlich in der geschlossenen Abteilung einer Psychiatrie landen: Versuchen Sie nie, dem Personal dort mit „normalem“ Verhalten oder Argumenten zu erklären, warum gerade Sie dort falsch sind und sofort gehen müssten.

 „Kreischen Sie, zucken Sie. Entwickeln Sie spontan ein störendes Symptom und wenden sich an den nächsten Assistenzarzt. Er wird Sie therapieren - und will seinen Triumph feiern, wenn Sie als geheilt entlassen werden.“

Nur eine der vielen Ausführungen von Dr. Manfred Lütz. Der ist Theologe und Chefarzt der psychiatrischen Kliniken in Köln-Porz. Zudem Bestseller-Autor und Kabarettist. Als solcher war er der Einladung der Telefonseelsorge Friesland-Wilhelmshaven gefolgt, zum 30-jährigen Jubiläum in Wilhelmshaven aufzutreten. Welch ein Erfolg: Die Reihen in St. Peter waren am Freitag rasch gefüllt, so dass eilig Stühle dazu gestellt wurden, um allen Platz zu bieten.

Das begeisterte Publikum erlebte einen rheinländischen Entertainer, der wunderbar humorvoll und unterhaltsam über komplexe Themen wie eben psychische Erkrankungen plauderte. Offensichtlich ohne Luft zu holen, dafür aber häufig über sich selbst lachend. Doch es blieb auch Raum für stille Momente. 

"20 Prozent unserer Anrufe sind psychisch krank", hätte zuvor Christhild Roberz, die Leiterin der Telefonseelsorge, in ihrer Begrüßung gesagt.

"Die anderen 80% also gesund..." Ein Drittel der Deutschen werde in seinem Leben psycisch krank, sagte Manfred Lütz. Die Ellenbogengesellschaft fordere eben viele Opfer.

"Zuwendung ist deshalb viel wichtiger als Psychotherapie."

Es gebe weniger Probleme in unserer Gesellschaft, wenn jeder von uns genügend Familienangehörige, Freunde oder Arbeitskollegen zum Reden hätte, betonte er. 

Sozialkontakte und Humanität seien das Wichtigste für ein intakte Gesellschaft. 

"Und das wichtigste Gespräch ist das mit normalen Menschen - wie die Ansprechpartnern bei der Telefonseelsorge! Denn sie führen existenzielle, einzigartige Gespräche auf Augenhöhe." Das könnte nie ein Psychotherapeut so nicht leisten, denn er stecke ja stets in einer Rolle als Arzt.

Schwere psychische Erkrankungen hätte nicht zugenommen. Doch die Befindlichkeitsstörungen der Menschen sehr wohl, so der Psychiater und Psychotherapeut Lütz.

"Aber das ist keine Krankheit ." Deshalb stehe er der Diagnose "Burnout inzwischen auch so kritisch gegenüber. "Das ist mir viel zu diffus, denn das kann manvon einer Befindlichkeitsstörung bis zur Depression reichen." Viele würden ja heute durch ihre Arbeit krank. "80 Prozent der Deutschen macht ihre Arbeit keinen Spaß. Ja! Deswegen wird sie ja bezahlt."

"Wenn man als Arzt immer nur das Negative sieht, hat man immer Patienten. Im Zweifel ist jemand so gesund wie Sie und ich." Psychisch Kranke seien Menschen, die mir ihrer Außergewöhnlichkeit nicht zurecht kommen, so Manfred Lütz.

 "Dabei sind sie oft einfühlsamer, sensibler und menschlicher als wir Normopathen." Ernste psychische Erkrankungen jedoch lassen sich diagnostizieren und heute in den meisten prima therapieren, so der Chefarzt. Dabei müsse man jedem Patienten mit Wertschätzung und Respekt begegnen: "Die wichtigste Perspektive ist die Freiheit - aber das Ziel der Behandlung bestimmt der Patient selbst."

Quelle: Wilhelmshavener Zeitung von Michael Halama vom 24. September 2018