Liebe Gemeinde, 

Weihnachten ist das Fest der Menschwerdung: Menschwerdung Gottes um des Menschen und der Menschlichkeit willen.

Jedes Jahr stürzen wir mit diesem Fest in eine andere gesellschaftliche Wirklichkeit. In diesem Jahr wird dies besonders spürbar. Es gibt eine Verrohung in der Sprache. "Niete, Dreck, Einsperren" sind Worte aus politischen Debatten. Schwierigste Themenzusammenhänge werden mit aufgeladenen Begriffen versehen und  vereinfacht, bisherige Schwellen der Verunglimpfung und der Provokation durchbrochen. Wir müssen sogar feststellen, dass es verdeckte und offene Erklärungen von gewalttätiger Aggression, sogar Morddrohungen, in Medien gibt.

Dies ist von friedlicher Weihnachtsstimmung weit entfernt. Haben wir bis vor wenigen Jahren noch einen weitgehend mitgetragenen gesellschaftlichen Konsens in den verschiedensten Ebenen gehabt, ist dieser offenbar aufgehoben: ein menschlicher Wertekonsens in Sprache, Verhalten und im Austragen von Kontroversen. Solche Entwicklungen verstärken für uns Christen den Wunsch und die Notwendigkeit, Weihnachten als Fest der Menschwerdung und der Menschlichkeit in aller Intensität und Weite zu feiern. Unnötigerweise gibt es noch die durch Konsumverlockung geprägte Seite dieser Wochen, von Jahr zu Jahr mit mehr Unbehagen begleitet.

Die emotionale Tiefe des Weihnachtsfestes erleben wir hoffentlich in liebevollen Begegnungen und Feiern in Kirche, Gemeinde, Familie, mit Freunden. Tief in uns lebende Sehnsüchte nach Frieden und versöhntem Leben erleben hier hoffentlich ihre Erfüllung. Dort liegt eine der Wurzeln, uns nach immer wieder neu zu erringendem Menschsein auszustrecken. Was wir hier miteinander teilen können,  bleibt vom innersten Punkt her Geschenk.

Die oft so drängende und unser Befinden bestimmende menschliche Erfahrung, alles machen zu müssen, wird hier von ganz anderer Seite beleuchtet. Es gibt ein uns immer umhüllendes und in Liebe wurzelndes Geheimnis: dass Gott uns Menschlichkeit schenkt. Diese läßt Gott uns erleben in seinem menschgewordenen Sohn. Gott zeigt sich als Mensch, weil er Menschlichkeit will. Dieses Geheimnis und diese Zuwendung Gottes können wir zu Weihnachten wieder von ganzem Herzen  feiern. Was Gott gelungen ist, können wir mit seiner Hilfe auch: mehr Mensch werden und an mehr Menschlichkeit mitbauen!    

Mit dem Pastoralteam wünsche ich Ihnen und Euch allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein segensreiches gutes Neues Jahr 2020!             

Ihr Pfarrer Andreas Bolten