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Wie Herr Meyer aus der Schuldenfalle herausfand

Caritas sieht ihr Beratungsangebot für Schuldner gefährdet und findet bei der Stadt Verständnis für ihr Hilfegesuch

Nur in wenigen deutschen Städten gibt es so viele überschuldete Menschen. Doch tat sich Wilhelmshaven bislang schwer, Beratungsstellen zu unterstützen.

Die Zahl ist alarmierend: 13 522 Menschen in Wilhelmshaven sind überschuldet.

Das heißt: Ihre monatlich fälligen Gesamtausgaben übersteigen auf Dauer ihre Einnahmen. Laut „Creditreform Schuldneratlas 2018“ weist die Jadestadt eine Schuldnerquote von 17,07 Prozent auf. Nur in acht von 401 kreisfreien Städten und Landkreisen Deutschlands ist die Quote höher.

Aber ausgerechnet in Wilhelmshaven haben Angebote der Sozialen Schuldnerberatung einen schweren Stand. Nachdem der Insolvenz-Hilfeverein kürzlich bereits für sich selbst einen Insolvenzantrag stellen musste, trug in der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses des Rates die Caritas vor, dass sie ihr Angebot einstellen muss, wenn die Stadt sie nicht mit einem Zuschuss unterstützt. Denn die Vergütung vom Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie decke die entstehenden Personalkosten nicht ab.

Bislang aber hatte die Stadt die Bezuschussung von Sozialer Schuldnerberatung abgelehnt, weil das eine freiwillige Leistung wäre.

Die Vertreter der Caritas – Beraterin Birte Scherrer, Kreis-Geschäftsführerin Margret Wahrheit und Dietmar Fangmann vom Landes-Caritasverbandes – machten allerdings deutlich, dass es im Interesse der Stadt läge, wenn sie nicht nur gegebenenfalls Beratungskosten in Insolvenzverfahren übernehme. Denn Soziale Schuldnerberatung fasse das Problem bei der Wurzel an.

Wie im Fallbeispiel des Herrn Meyer. Gleich als er volljährig wurde, hat der inzwischen 28-Jährige einen teuren Handyvertrag abgeschlossen und später einen zweiten für seine Freundin. Obwohl er nach dem Hauptschulabschluss seine Ausbildung nicht abgeschlossen hat und von Gelegenheitsjobs und Arbeitslosengeld II lebt, hat er seine Wohnungseinrichtung auf Kredit gekauft. Die Freundin hat sich längst von ihm getrennt, aber die Kosten für den Vertrag belasten ihn weiter. Das Konto wurde gepfändet. Miete, Energiekosten und Raten konnten nicht bezahlt werden. Es drohten Wohnungsverlust und Energiesperre.

Als seine neue Freundin ein Kind bekam, wollte er sein Leben ordnen. Herr Meyer ist nicht ganz typisch: Die Klientel der Caritas-Schuldnerberatung – im Jahr etwa 150 Personen und Familien – ist zu 60 Prozent weiblich, zu 23 Prozent geschieden, zu 20 Prozent alleinerziehend, im Durchschnitt circa 39 Jahre alt, zu 83 Prozent deutsche Staatsbürger, zu 51 Prozent ohne abgeschlossene Berufsausbildung, überwiegend nicht erwerbstätig, verfügt über ein durchschnittliches Einkommen von 636 Euro monatlich und hat 19 020 Euro Schulden bei zehn Gläubigern – überwiegend Banken, Versicherungen, Vermieter, Warenhäusern und Mobilfunkanbieter.

Psychische, gesundheitliche und/oder andere soziale Probleme sind keine Ausnahme. So geht es nicht nur um die Regulierung der Schulden. Soziale Schuldnerberatung, wie sie auch der Insolvenz-Hilfeverein und vor allem in Friesland das Diakonische Werk anbieten, suche nach den Ursachen und versuche, den Schuldner sozial und wirtschaftlich dauerhaft zu stabilisieren, so die Caritas-Vertreter. Dabei werden auch andere Beratungsbereiche einbezogen.

Bei dem beispielhaften Herrn Meyer hatte der Ansatz Erfolg. Vor der Beratung war der Versuch, einen Ausbildungsplatz zu finden, an der drohenden Lohnpfändung gescheitert. Jetzt macht er eine Ausbildung zum Maler und Lackierer, mit der Aussicht, übernommen zu werden.

Erster Stadtrat Armin Schönfelder sprach sich dafür aus, dass die Stadt sich mit den Trägern von Sozialer Schuldnerberatung zusammensetzt und über eine Lösung nachdenkt.

Der Antrag der Caritas soll in die Haushaltsberatungen einfließen.

Quelle: Wilhelmshavener Zeitung von Ursula Grosse Bockhorn vom 1. Oktober 2019