St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

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Schmerz um Heimat und Freude über Freiheit

Die vietnamesische Gemeinde Franz Yaver sieht sich gut integriert, legt aber Wert auf muttersprachliche Seelsorge

Die Ausstellung "Wilhelmshaven glaubt." im Küstenmuseum zeigt 150 Jahre religiöse Vielfalt in der Stadt. Die WZ stellt Vertreter verschiedener Glaubensrichtungen vor

Die Bilder aus dem Mittelmeer rufen Erinnerungen wach. Menschen, die auf Booten zusammengepfercht sind, mit einer Kanisterkappe Wasser am Tag auskommen müssen und vergebens darauf warten, dass sie in einem Hafen an Land gehen können - Dung Dinh-Päsler hat das am eigenen Leib erlebt und wie sie auch etliche andere der vietnamesischen katholischen Gemeinde Phanxico Xavie (Franz Xaver) in Wilhelmshaven.

Ein Kreuz und ein Marienbild im Maschinenraum gaben ihr - der damals Achtjährigen - Kraft und Zuversicht, als sie 1980 mit ihrem kleinen Bruder und ihrem Onkel auf dem Boot im Südchinesischen Meer um ihr Leben bangte, bis die „Cap Anamur“, das Hospitalschiff des Hilfskommitees „Ein Schiff für Vietnam­, die Flüchtlinge aufnahm. „Wir waren das fünfte und sechste Schiff, das aufgenommen wurde.“ Sie war nicht die Einzige, die um Rettung betete. Unter den Vietnamesen, die ihre Heimat auf diesem gefahrvollen Weg verließen, waren viele Christen. „Wir waren den meisten Repressalien ausgesetzt“, sagt Dung Dinh-Päsler.

Ihre Familie sei seit dem 16. Jahrhundert katholisch, sagt sie. Damals erreichten die ersten christlichen Missionare Vietnam - Portugiesen, die bald durch Spanier und Franzosen abgelöst wurden. Bei den Herrschenden stieß die neue Religion auf wenig Anklang, es kam immer wieder zu Verfolgungen. Alle christlichen Konfesssionen zusammen hätten gerade einmal drei Prozent der Gesamtbevölkerung ausgemacht, sagt Dung Dinh-Päsler. 53 anti-christliche Edikte von Kaisern unterschiedlicher Dynastien habe es gegeben, erzählt Dung Dinh-Päsler. Die Christen waren und sind zwar in der Kultur ihres Landes verwurzelt und verehren ihre Ahnen. Aber Gott ist für sie allein der Schöpfer, nicht der Kaiser.

Und die Ahnen sagten ihnen, an diesem Glauben festzuhalten, trotz aller Bedrängnisse. 117 katholische Christen, die aufgrund ihres Glaubens zwischen 1745 und 1862 im Kaiserreich Vietnam hingerichtet wurden oder an den Folgen ihrer Gefangenschaft starben, wurden 1988 durch Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen. Damals habe sie begonnen, sich mit dieser Geschichte zu beschäftigen.

Das Ende des Vietnam-Krieges brachte dem Sünden des zuvor geteilten Landes die Machtübernahme des Kommunisten Regimes aus dem Norden. Dung Dinh-Päslers Vater war Offizier und in der Armee des Südens gewesen und sollte in einem Umerziehungslager auf den neuen Kurs gebracht werden. Die Zukunft der ganzen Familie war ungewiss, nicht nur wirtschaftlich. 

Die Repressalien gegen die Katholiken nahmen zu. Unauffällig wurde die Flucht vorbereitet. Die Kinder erfuhren gar nichts. Zur Tarnung wurde Dung Dinh mit ihrem kleinen Bruder allein losgeschickt.

Ein Onkel in Wallenhorst bei Osnabrück nahm die Geschwister auf, als sie nach dem langen Weg in Deutschland ankamen. Erst ein Jahr nach ihr schafften die Eltern mit den restlichen Geschwister die Flucht. Dank der Zusage von Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU), vietnamesische Bootsflüchtlinge in Niedersachsen aufzunehmen, konnte die Familie in Wilhelmshaven Fuß fassen. Darüber spricht Dung Dinh-Päsler noch immer voll Dankbarkeit, ja auch mit Ehrfurcht.

Das erste, wonach ihr Vater in Wilhelmshaven gefragt habe sei die Kirche gewesen. In der damaligen Filialkirche St. Ansgar wurden sie herzlich aufgenommen. Doch die Flüchtlinge wollten nicht nur nehmen. Für die Kinder war es selbstverständlich, sich beispielweise als Ministranten in der Gemeinde einzubringen.

Zugleich aber war ihnen wichtig, mit den katholischen Landsleuten in Verbindung zu bleiben. Schon in den 1980er-Jahren sorgte die vietnamesische Mission für Zusammenhalt. Der Seelsorger ist allerdings für die gesamten Bistümer Münster und Osnabrück zuständig - also für den gesamten Nordwesten Deutschlands.

15 Gemeinden hat der vietnamesische Seelsorger zu betreuen. Die erste Gemeindegründung in Wilhelmshaven war nicht von Dauer. Der Kern waren drei Familien. Als die Kinder ins Studium gingen wurde die Gemeinde zu klein und wurde nach Oldenburg eingemeindet. Vor zwölf Jahren lohnte es sich auch zahlenmäßig, sie wiederzubeleben. Um die 40 Menschen aus Wilhelmshaven gehören ihr heute an. 

Sie treffen sich einmal im Monat zu Gebet und Bibelstunde. Wenn ein Gottesdienst in der St. Willehad Kirche mit dem Missionspfarrer ansteht, werden zuvor die Dienste verteilt. Am 3. Dezember wird immer das Patronatsfest des Heiligen Franz Xaver gefeiert. Nicht-Vietnamesen sind ebenso willkommen wie Nicht-Katholiken.

Die einstigen Flüchtlinge und ihre Familien sind längst eingebürgert. Sie fühlen sich bestens integriert - in einer Gesellschaft , in der sie ohne Angst ihren Glauben leben können, in den katholischen Ortsgemeinden, in denen sie auch Weltkirche erleben.

Die muttersprachliche Seelsorge ist für sie dennoch von hohem Wert. Und das nicht nur, um Traditionen und Zusammenhalt zu pflegen, um gemeinsam an die Heimat zu denken, die die meisten von ihnen ohne Abschied verlassen mussten und um die sie noch voller Schmerz trauern.  

Kürzlich wurden erst drei Erwachsene getauft. Bei der Einführung in den Glauben muss der Katechet den besonderen kulturellen Wurzelgrund des Täuflings mit Buddhismus und Konfuzianismus kennen und berücksichtigen.

Vietnamesen und Deutsche seien sich in manchem ähnlich, beispielweise mit Tugenden, Disziplin, Pünktlichkeit und Fleiß, sagt Dung Dinh-Päsler. Und doch gibt es Unterschiede.

Quelle: Wilhelmshavener Zeitung von Ursula Grosse Bockhorn vom 10. August 2019