St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

Navigationsmenüs (Bischöflich Münstersches Offizialat)

Wo statt des Muezzins die Glocken rufen

Katholische Gemeinde lud Muslime zu einer Kirchenführung ein

Draußen vor der Tür zum Kirchturm sind die griechischen Buchstaben X und P übereinander geschrieben. Ein Monogramm, das für Christus steht – aber für das lateinische Wort Pax. Und das heiße Frieden, erklärt Pfarrer Gerhard Schehr der Besuchergruppe.

Ein gutes Dutzend junger Frauen, wenige Männer und eine ganze Schar temperamentvoller Kinder hat sich zu einer Kirchenführung der besonderen Art in der katholischen Pfarrkirche St. Willehad eingefunden: Eingeladen waren vor allem Menschen muslimischen Glaubens.

Im Zuge der bundesweiten Interkulturellen Woche wollten Vertreter der katholischen Kirchengemeinde mit den Gästen der Frage nachgehen, was Angehörige beider Religionsgemeinschaften eint und was sie trennt. Vor allem Menschen, die erst vor kurzem aus dem Irak und aus Syrien geflüchtet sind, folgten der Einladung

Der Pfarrer heißt die Besucher unter dem Dach des einen Gottes willkommen, spricht ein christliches Friedensgebet, in dem auch um die Reinigung von allen Spuren der Enge und Intoleranz gebeten wird. Und er spricht ein muslimisches Gebet und rezitiert aus der dritten Sure des Koran.

Doch noch scheint die Kluft zwischen ihm am Ambo im Chorraum und den Gästen, die staunend auf den Kirchenbänken sitzen, noch nicht überwunden. Wie sie sich als Muslime in der katholischen Kirche fühlen? „Die ist wunderschön“, sagt eine junge Frau.

Zögernd kommt das Gespräch in Gang. Ambo und Kanzel, dazu gibt es in Moscheen ein Pendant, die Minbar. Doch vieles andere ist ihnen fremd. Kultgegenstände, Kreuze, Heiligenbilder, Orgeln, das alles kennen sie nicht. Sie erfahren, dass auch katholische Christen allein Gott anbeten und die Heiligen nur als Mittler um Hilfe bitten, dass das Stundengebet der Kirche den Gebetszeiten der Muslime vergleichbar ist.
Und dass Glockenturm und Minarett gleiche Funktionen haben: Der Ruf zum Gebet wird sichtbar und weithin hörbar, egal ob er von den Glocken oder vom Muezzin kommt.

Nahe kommen sich katholische Gastgeber und muslimische Gäste am Taufbecken und anschließend im Chorraum am Altar, vor dem Tabernakel, dem für katholische Gläubige Heiligsten.

In der Sakristei sehen sie Messbücher – die eine Heilige Schrift, mit unterschiedlicher Textauswahl für verschiedene Jahre und in den Schränken die Messgewänder in den unterschiedlichen Farben für verschiedene Teile des Kirchenjahres. Auch die Katholiken haben ihre Fastenzeiten – wie die Muslime.

Und so gibt es keinen Widerspruch, als Pfarrer Schehr feststellt: „Wir haben mehr gemeinsam, als uns bewusst ist.“

Quelle: Wilhelmshavener Zeitung von Ursula Grosse Bockhorn vom 27. September 2019

Weitere Informationen