St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

Navigationsmenüs (Bischöflich Münstersches Offizialat)

„Schnellverband“ für in Not geratene Seelen

Das Kriseninterventionsteam der Malteser in Wilhelmshaven bietet psychologische Hilfe

Die Erinnerung an das Eisenbahnunglück in Eschede vor 25 Jahren mit vielen Toten und Verletzten unterstrich die Bedeutung der psychologischen Kriseninterventionsteams. In der rückblickenden Betrachtung gab es Stimmen, die die ehrenamtliche Übernahme dieser Aufgabe in Frage stellen. Eine solche Lage sei eine Überforderung fürs Ehrenamt.

Dem widersprechen Norbert Witton, Leiter des Kriseninterventionsteams der Malteser in Wilhelmshaven, und Olaf Kordecki, Leiter der Einsatznachsorge, die sich um die psychologische Nachsorge von Einsatzkräften kümmert. Zusammen mit den Notfallseelsorgern des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Friesland-Wilhelmshaven stehen die Malteser rund um die Uhr zur Verfügung, um in traumatischen Situationen Beistand zu leisten. Witton hat das Kriseninterventionsteam vor zwölf Jahren als damaliger Stadtbeauftragter der Malteser gegründet.

Gründliche Ausbildung kommt vor der Praxis

„Diese Aufgabe können nicht nur hauptberufliche Psychologen übernehmen. So viele haben wir im Notfall gar nicht“, meint Witton. Die Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams seien auf ihre Aufgabe gut vorbereitet.

Die Ausbildung sei standardisiert und durch den Deutschen Psychologenverband zertifiziert. Wer sich für dieses Ehrenamt bewirbt, kann die Ausbildung nur beginnen, wenn er beziehungsweise sie als seelisch stabil und zuverlässig eingeschätzt wird. „Dies klären wir zusammen mit einem Experten aus der Diözesanleitung in einem ausführlichen Gespräch mit dem Bewerber“, berichten Witton und Kordecki.

Der Bewerber müsse ins Team passen. Die Ausbildung beginne bei den Maltesern mit einer Grundausbildung in Pflege und Betreuung, was einen Erste-Hilfe-Kursus einschließt. Dann folge ein Basisseminar mit einer erneuten Prüfung. Noch einmal finde eine Einschätzung der Eignung des Bewerbers statt. Darauf folgen zwei Aufbauseminare, wiederum eine Prüfung und die abschließende „Passung“, in der wiederum die Persönlichkeit des Bewerbers und seine Eignung beurteilt werden.

Nach Bestehen der Prüfungen folgt die Heranführung an die Praxis. Die Praktikanten absolvieren mindestens fünf Einsätze mit erfahrenen Teammitgliedern. Zum Schluss stehen noch 40 Stunden als Praktikant im Rettungsdienst auf dem Ausbildungsprogramm. Hat man all dies absolviert, erhält man sein Zertifikat als Kriseninterventionshelfer. Jedes Teammitglied muss jährlich an einer Fortbildung teilnehmen.

Das ist nichts für Selbstdarsteller

„Das ist also nichts für Selbstdarsteller oder psychisch Labile“, sagt Witton.

Wer als Helfer selbst durch einen Einsatz belastet worden ist, kann die Einsatznachsorge in Anspruch nehmen.

Zurzeit verfügen die Malteser über 13 Teammitglieder, vier davon sind auch für die Einsatznachsorge geschult. Zusammen mit den Notfallseelsorgern stehen 25 Kriseninterventionshelfer bereit.

In den vergangenen Jahren wurden die örtlichen Notfallseelsorger und das Malteserteam im Schnitt zu insgesamt 40 Einsätzen gerufen. Überwiegend handelte es sich dabei um Not- oder Todesfälle im häuslichen Bereich. Wenn die Sanitäter abgerückt sind, bleiben die Angehörigen oder Hinterbliebenen zurück, die nicht sich selbst überlassen bleiben sollen.

Die größten Einsätze waren vor einigen Jahren ein Giftalarm in einer Schule, der viele Schüler in Panik versetzte, und der Brand des Pflegeheims „Friesenhaus“ in Fedderwardergroden.

Einmal im Monat trifft sich das Team zum Gespräch und zur Einsatzkoordination. Wer sind die Mitglieder? Dazu zählt Martina Witton, Ehefrau von Norbert Witton und gelernte Rechnungsführerin, die seit zwölf Jahren und damit von Anfang an dabei ist. Die Jüngste ist mit ihren 35 Jahren die Logopädin Ann-Kathrin Wessel-Ellermann, Tochter der Wittons. Ihr erster Einsatz war die Betreuung von Angehörigen nach einem Suizid, darunter ein Kind mit Beeinträchtigung. „Das war schon krass“, sagt Wessel-Ellermann, die zuvor schon der Sanitätsgruppe angehört hatte.

In Seelsorge erfahren ist von Berufs wegen Gerhard Schehr, ehemaliger Militärseelsorger bei der Marine. „Da hatte ich es schon mit der ganzen Bandbreite der Notfallseelsorge zu tun“, so Schehr.

Als Trauerrednerin kennt Gabi Fritz den Umgang mit Hinterbliebenen, bringt außerdem aus einem ehrenamtlichen Seelsorgeamt langjährige Erfahrung mit. Seit Oktober vergangenen Jahres gehört sie zum Kriseninterventionsteam. „Man bekommt kein dickes Fell“, sagt sie.

Den ersten Einsatz vergisst man nicht

„Den ersten Einsatz vergisst man nicht“, sagt Gundula Meyer-Elstrodt, von Beruf Psychotherapeutin. Die Ausbildung bereite jedoch gut auf die Aufgabe vor. „Ich wunderte mich anfangs, dass die Menschen genau das fragen, was wir gelernt hatten, das sie fragen.“ Sie könne nach den Einsätzen gut abschalten. „Wir fühlen mit, aber wir leiden nicht mit“, sagt sie.

Lena Köhler und Daniela Surmann sind noch in der Hospitationsphase, gehen also in Begleitung eines erfahrenen Helfers in die Einsätze. Beide sind Pastoralreferentinnen in der St.Willehad Kirchengemeinde. Als solche gerieten sie schnell in den Sucher der Wittons.

Olaf Kordecki, neben Schehr Ruheständler, leitete früher die Katholische Erwachsenenbildung. Und Norbert Witton? „Ich bin der einzige Techniker in dieser Runde.“

Quelle: Wilhelmshavener Zeitung von Hartmut Siefken vom 10. Juni 2023

Weitere Informationen