St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

Navigationsmenüs (Bischöflich Münstersches Offizialat)

Der Katholische Militärpfarrer Torsten Stemmer ist seit 4. August 2020 an Bord der Fregatte Hamburg.

Er begleitet die 250 Soldatinnen und Soldaten bei ihrem Einsatz im Rahmen der Mission IRINI.

Während der viereinhalb Monate an Bord ohne Landgang steht er als Seelsorger für Gespräche und religiöse Angebote zur Verfügung.

In diesem Blog schreibt er von seinen Erfahrungen und vom Alltag der Soldatinnen und Soldaten.

 

30. September 2020

Gottesdienst an Bord

Natürlich feiern wir auch hier an Bord der Fregatte "Hamburg" Gottesdienste. Eine Kapelle oder ein Andachtsraum steht uns dafür nicht zur Verfügung. Stattdessen nutzen wir die gegebenen Möglichkeiten des Schiffes. Bordgottesdienste finden da statt, wo es die Situation, der Platz und das Wetter zulassen.

Besonders eindrucksvoll sind natürlich die Gottesdienste an Oberdeck, wenn man in der Sonne steht und den Blick über das weite, offene Meer schweifen lassen kann.

Hier auf der "Hamburg" feiern wir unsere Bordgottesdienste normalerweise am Sonntagnachmittag um 14 Uhr. Ab und zu auch am Samstag, wenn wir zum Beispiel am Sonntag einlaufen, denn dann ist der Tag so gefüllt, dass man den Gottesdienst nicht gut unterbringen könnte.

Ich beginne bereits einige Tage vor dem Gottesdienst mit der Vorbereitung. Die Lesungen und Evangelien des kommenden Sonntags begleiten mich dann durch die Woche, so dass ich nach und nach meine Predigt entwickeln kann. Ich versuche dabei immer einen Bezug zu entwickeln zwischen dem Bibeltext und der damit verbundenen Theologie sowie der Lebenssituation und dem Alltag an Bord.

Gottesdienst auf Oberdeck

Da es keinen festen Gottesdienstraum gibt, fällt die Entscheidung über den Ort manchmal erst sehr kurzfristig, da wir das Wetter und die operative Lage berücksichtigen müssen.

Wenn es die Umstände erlauben, gibt es wohl keinen schöneren Ort für den Gottesdienst, als einen Platz an Oberdeck.

Der Blick auf das weite Meer und den Himmel mit der Sonne lassen einen die Schönheit der Natur und die Größe Gottes erahnen.

20 Minuten vor Gottesdienstbeginn wird „Pennant Eight“ gesetzt. Eine Flagge, die anzeigt, dass auf diesem Schiff nun ein Gottesdienst stattfindet.

Dies hat nicht nur symbolische Bedeutung. Durch das Setzen der Flagge signalisieren wir, dass zur Zeit kein Bordzeremoniell durchgeführt wird: so entfällt beispielsweise in See die „Front“.

Dabei handelt es sich um eine Ehrerweisung zwischen Kriegsschiffen, bei der die Soldaten an Oberdeck in Grundstellung gehen und Front zum vorbeifahrenden Schiff einnehmen.

Außerdem werden über die Schiffslautsprecheranlage keine Durchsagen mehr gemacht. Außer im Notfall hat der Gottesdienst nun eine gewisse Priorität.

Nicht ohne Kirchencocktail

Zum Gottesdienst an Bord gehört natürlich – wie zu Hause in der Kirche – der Gesang. Besonders gelingt das, wenn es einen Soldaten gibt, der die Lieder mit einem Instrument begleiten kann.

Hier an Bord der "Hamburg" kommen wir beim Singen in den Genuss, von einer Gitarre begleitet zu werden. So macht das Singen und Beten gleich doppelt so viel Spaß und schließlich gilt immer noch das gute alte Zitat vom Heiligen Augustinus: „Wer singt, betet doppelt.“

Nach dem Gottesdienst folgt dann der schon fast obligatorische Kirchencocktail. Bei Saft oder Kaltgetränk bleibt man noch eine Weile zusammen und tauscht sich aus. So lässt sich ein Sonntag auf See aushalten.

 

 

17. September 2020

Alltag an Bord eines Kriegsschiffs

Als eingeschiffter Militärpfarrer gestaltet sich der Tagesablauf an Bord eines deutschen Kriegsschiffes natürlich deutlich anders als im heimatlichen Stützpunkt.

Der Tag beginnt um 7 Uhr mit dem allgemeinen Wecken. Bereits wenige Minuten vorher erklingt über die SLA (Schiffs-Lautsprecher-Anlage) das „Wecklied“. Dieses wird von der gerade stehenden Seewache ausgesucht. Um Punkt 7 erklingt dann der Ruf „Reise, Reise, aufstehen!“

Was folgt, ist die persönliche Morgenroutine, fast wie zu Hause: waschen, rasieren, Zähne putzen, anziehen, anschließend Frühstück.

Kontakt mit allen an Bord

Dienstbeginn ist um 8 Uhr. Als Militärpfarrer hat man dann die Gelegenheit noch bei einer Tasse Kaffee ein wenig die Stimmung aufzunehmen und erste Gespräche zu führen.

Wenig später beginne ich meinen ersten „Rundgang“ durch das Schiff. Mein Ziel ist, es mehrmals am Tag die verschiedenen Seewachstationen zu besuchen, um so mit den unterschiedlichen Seewächtern in Kontakt zu kommen.

Die Seewachstationen werden in einem dreier-Wach-System betrieben: Brücke, Operationszentrale (OPZ), Schiffstechnischer Leitstand (STL), Funkraum, Weapon Section Base.

Daneben gibt es noch viele andere betriebsame Räume, wo geschäftiges Treiben herrscht: Schiffslazarett (die schiffseigene Arztpraxis und Notaufnahme), Hubschrauberhangar und neben vielen weiteren natürlich die Kombüse (die Bordküche), hier werden jeden Tag vier Mahlzeiten für die fast 250 Personen umfassende Besatzung zubereitet (Frühstück, Mittagessen, Abendessen, Mittelwächter). Am Donnerstag gibt es darüber hinaus noch den „Seemannssonntag“ (Kaffee und Kuchen) und sonntags „Kaffee und Kuchen“

Mit den aktuellen Informationen vertraut

Um 11 Uhr findet unmittelbar vor dem Mittagessen die Offizierlage statt. Hier bietet sich die Gelegenheit, wichtige Neuigkeiten und Informationen weiterzugeben und mitzunehmen. Anschließend steht das Mittagessen an.

Nach einer kurzen Mittagspause tritt der Hauptabschnitt 400 um 13 Uhr auf dem „freien C-Deck“ zur Mittagsmusterung an. Als Militärpfarrer ist man eigentlich keinem Hauptabschnitt direkt zugeordnet, meistens wird man jedoch der Sanität bzw. Versorgung assoziiert. Daher nehme ich hier an Bord der HAMBURG an den Musterungen des Hauptabschnitts 400 teil. Bei der Mittagsmusterung werden vom I SVO die wichtigsten Neuigkeiten und Informationen weitergegeben. Für die Versorgung ist die Planung des Schiffes bzgl. Hafenaufenthalten, Materialbestellungen, Ersatzteillieferungen usw. immer besonders wichtig.

Nachmittags setze ich meine Runden durchs Schiff fort. Auch außerhalb der Seewachstationen treffe ich immer wieder auf Soldaten*innen. Gesprächsmöglichkeiten und Anknüpfungspunkte finden sich eigentlich fast immer: Freunde und Familie, Hobbys, Urlaub, Erlebnisse der Seefahrt und natürlich die Aufgaben, die die Soldaten hier an Bord haben. Gerne sind sie bereit mir ihren Aufgabenbereich zu erklären und zu zeigen. So lernt man sich kennen.

Persönliche Gespräche

Immer wieder melden sich bei solchen Gelegenheiten oder zwischendurch Soldaten*innen zu persönlichen Gesprächen an. Entweder können wir uns dann sofort zu einem Gespräch unter vier Augen zurückziehen oder wir vereinbaren einen Termin. Für vertrauliche Einzelgespräche steht mir eine kleine Sitzecke in meiner Kammer zur Verfügung. So lässt sich die Vertraulichkeit waren und wichtige Gespräche müssen nicht „zwischen Tür und Angel“ geführt werden.

Um 16 Uhr findet normalerweise die HAL-Lage statt: Die Hauptabschnittsleiter treffen sich mit dem Kommandanten und Ersten Offizier um die wichtigsten Punkte des Tages und für den kommenden Tag (und ggf. darüber hinaus) zu besprechen. Wenn es Bedarf gibt, nehme ich an dieser Lage ebenfalls teil.

Ab 17 Uhr ist es dann schon wieder Zeit zum Abendessen. Auch anschließend bin ich viel an Bord unterwegs. Gerade wenn abends die Betriebsamkeit des Tages nachlässt und es etwas ruhiger wird im Schiff, ist oft Gelegenheit für Gespräch und Austausch. So bin ich dann meist noch die ein oder andere Stunde unterwegs. Und bevor man sich versieht, ist der Tag auch schon wieder rum.

Die wenige freie Zeit ist kostbar

Neben dem Routinedienst und Seewachen stehen in den verschiedenen Abschnitten immer wieder Wartungen, Übungen, Einweisungen, Fortbildungen usw. auf dem Programm. Langeweile kommt da meistens nicht auf.

Die (wenige) freie Zeit am Tag kann jeder ganz individuell nutzen: Die Freizeitmöglichkeiten an Bord sind natürlich nicht ganz so vielfältig, wie zu Hause. Aber auch hier kann man immerhin lesen, Filme und Serien schauen, je nach Kurs auch fernsehen über Satellit oder sich mit Kameraden*innen in der Messe treffen zum Spielen, Quatschen… Außerdem gibt es Möglichkeiten sich sportlich zu betätigen. An verschiedenen Stellen im Schiff sind Sportgeräte aufgestellt (Laufbänder, Spinning-Räder, Gewichte usw…), die viel genutzt werden.

So findet hier jeder seinen Rhythmus und ehe man sich versieht, ist es wieder Zeit sich auf den Bock zu legen.

Begriffserklärungen:

Brücke: Der Raum relativ hoch im Schiff, der als einziger über Fenster verfügt. Er erstreckt sich über die gesamt Schiffsbreite und hat an beiden Seiten Nocken (so etwas wie Balkone) in denen dieAusgucks ihren Dienst tun. Hier wird navigiert und das Schiff gesteuert.

Schifftechnischer Leitstand (STL): Hier wird die gesamte Schiffstechnik überwacht und gesteuert (Antrieb, Stromerzeugung und -verteilung, Frisch- und Abwasser) sowie Wartungen und Reparaturen veranlasst.

Operationszentrale (OPZ): In diesem Raum findet die Auswertung auf Aufbereitung der Sensordaten (z.B. Radar) statt. An verschiedenen Konsolen werden hier die Daten gesammelt, erfasst und bearbeitet. Die Effektoren werden von hier gesteuert und bei Bedarf eingesetzt. Die operative Lage- und Schiffsführung erfolgt von hier aus.

Kombüse: Die Küche an Bord eines Schiffes

Messe: Der Speise- und Aufenthaltsraum für die Besatzung des Schiffes. Es gibt für jede Dienstgradgruppe eine eigene Messe, also insgesamt vier: Offizier-, Portepeeunteroffizier-, Unteroffizier- und Mannschaftsmesse.

Hauptabschnitt (HA): Die Verschiedenen Aufgabenbereiche auf einem Schiff sind in Hauptabschnitte eingeteilt: 100 - Navigation und Decksdienst, 200 - Schiffstechnik, 300 - Waffen- und Informationstechnologie, 400 – Versorgung und Sanität, 500 – Flugbetrieb und -technik, 600 – Operationsdienst

Hauptabschnittsleiter (HAL): Jeder Hauptabschnitt wird an Bord von einem Offizier geführt: 100 – Navigationsoffizier (NO), 200 – Schiffstechnikoffizier (STO), 300 – Schiffselektronikoffizier (SELO), 400 – Schiffsversorgungsoffizier (SVO), 500 – Hubschraubereinsatzoffizier (HEO), 600 – Schiffseinsatzoffizier (SEO)

Seemannssonntag: Eine Tradition auf deutschen Marineschiffen, bei der es am Donnerstagnachmittag Kaffee und Kuchen gibt.

Kammer: Wohnraum für Offiziere und Portepeeunteroffiziere (1-4 Px)

Deck: Ebene/Etage auf einem Schiff. Oder auch: Wohnraum für Unteroffiziere und Mannschaften (auf der HAMBURG bis zu 8 Px)

Lage: Besprechung

Musterung: beim Heer heißt es Antreten. Hier tritt die Besatzung oder ein Teil davon an und es werden Informationen/Anordnungen/Befehle weitergegeben, oder auch Beförderungen/Begrüßungen/Verabschiedungen vorgenommen.

Backen und Banken: Begriff für das Essen an Bord (Back = Tisch, Bank = Sitzbank). Die Essenszeiten an Bord richten sich eng nach dem Wachwechsel, so dass die aufziehende Wache vorher und die abziehende Wache unmittelbar nach der Ablösung essen kann.

Bock: Die Koje, also das Bett an Bord des Schiffes.

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