St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

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Deutliches Zeichen gegen die Aufrüstung setzen

Kundgebung zum Antikriegstag am Wilhelm-Krökel-Platz – Marsch durch die Marktstraße

Anlässlich des Antikriegstages am 1. September luden der DGB Stadt Wilhelmshaven, das Jugendparlament und das Jugendteam „Haven84“ der St. Willehad-Gemeinde zur Mahnveranstaltung am Wilhelm-Krökel-Platz mit Kranzniederlegung und anschließendem Gedenkmarsch zum Synagogenplatz ein. Die Veranstaltung war gleichzeitig Auftakt zum Projekt „Unser Frieden“ von und mit Jugendlichen unserer Stadt.

Ein Zeichen gegen Krieg setzten am Mittwochabend anlässlich des Antikriegstages rund 100 Menschen in Wilhelmshaven. Vor zahlreichen Bürgern sowie Vertretern aus Rat und Politik sprach zunächst Axel Opitz, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Wilhelmshaven, am Wilhelm-Krökel-Platz von einem besonderen Tag der Mahnung und des Erinnerns.

Einen besonderen Fokus richtete er dabei auf die noch immer aktuellen Bilder aus Afghanistan. „Das Land steht inzwischen am Abgrund. Alle, die sich für ein demokratisches Afghanistan eingesetzt haben und noch vor Ort sind, sind in großer Gefahr“, so Opitz. Um künftig mehr Frieden auf der Welt zu haben, sei eine Politik nötig, „die sich für Ab- statt Aufrüstung ausspricht. Daher setzen wir hier noch vor der Bundestagswahl ein deutliches Zeichen gegen die Aufrüstung.“

Ehe die Teilnehmer der Kundgebung, die mit Plakaten und Schriftzügen wie „Keine deutschen Truppen ins Ausland“ für Frieden warben, ihren Marsch vom Wilhelm-Krökel-Platz durch die Marktstraße zum Synagogenplatz starteten, sprach Daniela Surmann, Pastoralreferentin der katholischen Gemeinde St. Willehad. Für sie sei der Antikriegstag in erster Linie ein Gedenktag mit hoffnungsvoller Zukunftsperspektive. „Wir dürfen kein Niveau erreichen, für das wir uns schämen müssen. Nicht die Flüchtlinge stellen für uns eine große Herausforderung dar, sondern rechtsextreme Gesinnungen“, so Surmann. Nicht nur die jüngsten Bilder aus Afghanistan seien aktuell, sondern auch jene aus dem Jahr 2015, als Flüchtlingsunterkünfte angegriffen wurden.

Am Wilhelm-Krökel-Platz legten Opitz und Elke Fleßner, stellvertretende DGB-Vorsitzende, einen Kranz nieder, ehe sich alle Beteiligten in Richtung Synagogenplatz aufmachten. Dort richteten zudem Oberbürgermeister Carsten Feist sowie Matthew von Fintel vom Jugendparlament ihre Worte an die Teilnehmer.

 Quelle: Wilhelmshavener Zeitung von Michael Hacker vom 3. September 2021 

Hier die vollständige Ansprache zum Antikriegstag 2021 von Pastoralreferentin Daniela Surmann

Sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst möchte ich mich für die Einladung als Rednerin hier bedanken.

Vielleicht ist es ein sehr subjektiver Eindruck… Das Thema Frieden treibt mehr als andere Altersgruppen Kinder und Jugendliche um. Bei den berühmten imaginären drei Wünschen, die jemand frei hat, steht bei vielen Kindern der Weltfriede ganz oben. Wenn ich Erwachsene frage, was sie sich wünschen würden, stehen andere Dinge auf dem Wunschzettel. Gesundheit, im Alter abgesichert sein, Zufriedenheit, dass es den Kindern und Enkeln gut geht, vielleicht auch der Lottogewinn… Der Weltfriede scheint irgendwie durchgerutscht zu sein. Ich frage mich, warum das so ist. Gewohnheit? Die Nachrichten sind voll von Schreckensmeldungen, jeden Tag, jede Woche, jahrein, jahraus. Da verliert das Leid vielleicht den Schrecken, den es auf die jungen Menschen noch hat. Auch Fettes Brot rappen 2005 „Doch warum kann mich mittlerweile nicht mal das mehr erschrecken, wenn irgendwo Menschen an dreckigem Wasser verrecken?“

Ich erinnere mich noch daran als wir in der Schulzeit zum ersten Mal über die Naziherrschaft, über die Konzentrationslager, über all das Grauen gesprochen haben. Es war eine Schwere und eine Betroffenheit in der Klasse zu spüren, die schwer auszuhalten war. Und ich habe mich geschämt, dass das alles bei uns möglich war und geschehen ist. In den folgenden Jahren war das Thema immer wieder im Lehrplan und diese Betroffenheit, diese Schwere, war irgendwann ganz verschwunden und stattdessen lag ein gelangweiltes „Bitte nicht schon wieder dieses Thema.“ in den Gesichtern. Also Gewohnheit? Abstumpfung? Ist es so einfach?

Vielleicht lassen uns die täglichen Schreckensmeldungen den Wunsch nach Frieden ins Reich der Utopien verlegen. Als ich einer Freundin erzählte, dass ich heute hier sprechen darf, fragte sie mich: „Antikriegstag? Wie will man denn einen Antikriegstag begehen? Es gab doch sicher noch keinen Tag, an dem kein Krieg war.“ Stimmt, eigentlich sind es Gedenktage, die wir begehen. An denen wir an etwas erinnern. Ein Gedenktag ist es ja auch heute, aber es ist eben ein Gedenktag mit hoffnungsvoller Zukunftsperspektive im Namen – eine ambitionierte, ja, eine Vision.

Aber ist die Abwesenheit von Krieg das gleiche wie Friede? Ist die Abwesenheit von Krieg eine Bedingung der Möglichkeit von Friede?  Oder ist es der Friede, der sich weiter ausbreitet und so dem Krieg den Nährboden entzieht?

Als wir in der Schule das deutsche Grundgesetz durchgenommen haben, war das ein Moment, in dem ich sehr stolz auf unser Land war. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.“ Artikel 1. Unser Land hat aus der Vergangenheit gelernt. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – mit dieser Feststellung beginnt die deutsche Gesetzgebung! Und aus der Erfahrung, dass andere Länder deutsche Juden und andere verfolgte Gruppen aufnahmen, wurde das Asylrecht ebenfalls im Grundgesetz verankert. Wir könnten sagen: Wir sind froh darüber, dass es uns gelungen ist, nach der Katastrophe der Nazizeit wieder einen Rechtsstaat aufzubauen, der die Fehler der Vergangenheit durch ein modernes Grundgesetz zu verhindern versucht. Wir haben die Achtung vor der Würde jedes menschlichen Lebens festgeschrieben, wir haben Meinungs- und Pressefreiheit, wir haben demokratisch gewählte Regierungen und eine unabhängige Justiz – und wir haben ein Asylrecht. Ausdruck eines Staatswesens, das sich an der Würde und letztlich an der Gottebenbildlichkeit des Menschen orientiert.

Und dann – besonders 2015 – wurden wir konfrontiert mit den Namen von Orten, wo immer wieder der braune Mob seinen blanken Hass auf die verunsicherten Flüchtlinge niederregnen ließ, in Form von Aufmärschen, Parolen, Angriffen auf unbewohnte und sogar bewohnte Unterkünfte von Flüchtlingen und Asylbewerber*Innen. Diese Nachrichten, diese Bilder waren kaum auszuhalten und wurden doch außerhalb Deutschlands noch von den Bildern mit Opfern von Schleuserbanden am Mittelmeer und auf der Balkan-Route brutal ergänzt. Wir haben sie bis heute – sechs Jahre später – vor Augen. Am letzten Sonntag stand in dem Evangelium unserer Leseordnung ein bemerkenswerter Satz, den Jesus seinen Zuhörerinnen und Zuhörern sagt, als es um Reinigungs- und Speisevorschriften geht: „Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein (also gemein) machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein.

Ich finde, was Jesus da im Evangelium von der Reinheit des Menschen sagt, gilt eins zu eins auch für unseren Staat, die Bundesrepublik Deutschland: Nichts, was von außen hineinkommt, macht den Menschen oder eben den Staat unrein, sondern die bösen Gedanken, Mord, Bosheit, Verleumdung und Unvernunft, die aus dem Innern kommen. Noch einmal deutlich: Nicht die Flüchtlinge, und mögen es noch so viele sein, stellen die eigentliche Herausforderung für Deutschland dar. Sondern wie rechtsradikale Mitbürger*Innen mit unseren Gästen umgehen – Gäste, die den Terror hinter sich gelassen zu haben glaubten. Ich bin gern bereit anzuerkennen, dass Verfahren beschleunigt, Trittbrettfahrer aussortiert und Geldleistungen hinterfragt werden können. Aber lassen Sie uns alle bitte nicht auf ein Niveau herabrutschen, dessen man sich wieder schämen muss. Stellen wir uns am Stammtisch, auf Insta und beim Kaffeeklatsch hinter die christliche Botschaft des Abgebens und Teilens, des Mitleidens und Mit-Aushaltens, und beziehen wir Position, wenn wir als deutsche Bürgerinnen und Bürger noch etwas auf unsere christliche Prägung geben. Ich weiß selbst, dass wir Christen in Deutschland zahlenmäßig auf dem Rückzug sind, aber alle, die sich noch als Christin und Christ bezeichnen, sollten ganz klar wissen, dass Solidarität mit den Armen, den Flüchtlingen und Bedrängten stets und zu jeder Zeit Aufgabe der Kirchen war, ist und bleibt. Man kann meines Erachtens nicht Christ sein und sich gleichzeitig an Demonstrationen gegen die Existenz von Menschen beteiligen, denen keine Wahl gelassen wurde, oder gar mit Gewalt gegen dieselben Menschen vorgehen. Angst darf nicht wieder in Gewalt umschlagen!

Wir alle werden auf neuartige Art und Weise und dauerhaft neue Formen des Teilens kennen lernen: Nahrungsmittel und Wohnraum, Kultur und staatliche Geldleistungen – vieles wird auf Dauer nur in der Form des Teilens und Abgebens erkennbar bleiben.

Ich hoffe aber auch, dass das Christentum angesichts dieser Herausforderungen aus seinem Dornröschenschlaf erwacht und seine ureigensten Dienste für Schwächsten energisch und entschlossen angeht. Ich hoffe und wünsche mir von der Politik, dass sie Mittel und Wege sucht und findet, den Ängsten der Menschen ehrlich zu begegnen. Und dass wir alle zusammen eine Strategie gegen den Hass – auch in uns – finden, damit das Gute, das in uns ist, mehr Raum bekommt. Und damit in dem Guten, was aus uns kommt, der kommende Friede seinen Nährboden findet. Dann wird der Name „Antikriegstag“ nicht mehr zu Irritationen führen.