St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

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Ein Tag fordert zum Nachdenken auf

Andacht anlässlich des 78. Jahrestags der Befreiung Wilhelmshavens

Die Kreuzung Schaarreihe/Bismarckstraße in Neuende hatte am 6. Mai 1945 Geschichte geschrieben. Kurz nach 11 Uhr hatten die Spitzen der Stadt Wilhelmshaven diese an die polnischen Armeebefehlshaber übergeben, die vorgerückt waren. Bürgerinnen und Bürger gedachten dieses Ereignisses an diesem Wochenende mit dem Aufstellen einer weißen Flagge. Dem voraus ging eine Andacht in der benachbarten Kapelle des Friedhofs Heilig Land.

„Sag‘ mir, wo die Blumen sind“, spielte Organist Florian Bargen zur Begrüßung. Pfarrer Andreas Bolten hob in der ökumenischen Andacht hervor, der Großvater der Pfarramtssekretärin habe in der polnischen Armee mitgekämpft. Er dankte dem Arbeitskreis „historisches Gedenken“ und wollte „das verantwortliche Gedenken des entscheidenden, befreienden Tages“ auf alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt übertragen wissen. Zugleich werde im ökumenischen Friedensgebet aller Kriegsopfer gedacht.

Es folgten Zeitzeugenberichte, vorgetragen von Lektorinnen und Lektoren der Kirchgemeinden Bant und St. Willehad. Über Helga Eggerichs, damals 19 Jahre alt, wurde berichtet, wie sie im Fernsprechamt den Befehlshaber der kanadischen Armee, die kurz vor Rastede stand, statt mit dem Stadtkommandanten mit Leutnant Janßen verband.

Die Worte des damals 16-jährigen Hermann Linkohr ließen erahnen, wie erleichternd die Kapitulation seiner Flakbatterie am Stadtpark war.

Als die Waffen auf dem Hof standen, wurden die Soldaten auf Lastwagen nach Oldenburg gebracht, um sie aus der Wehrmacht zu entlassen. Die damals 15-jährige Lucie Zeinert schließlich war einen Tag vor der Kapitulation von ihrer Bäuerin aus Collstede, wo sie zum Pflichtjahr war, nach Hause geschickt. Lautes Grummeln deutete das Ende an. Auf dem Heimweg begegnete ihr keine Menschenseele. Zum Glück stand ihr Elternhaus in der Werftstraße noch. Die Soldaten winkten ihr vom Panzer. Ihr Vater winkte nicht zurück.

Demut als Antwort auf den Hochmut

Pastor Moritz hob den passend unbequemen Ort der Andacht heraus.

Er nannte die 102 Luftangriffe, davon 16 Großangriffe, auf Wilhelmshaven, den letzten am Karfreitag, 30. März 1945. Die Totenruhe auf Heilig Land sei am 18. September 1942 durch Bomben zerstört worden.

„Demut, nichts als Demut kann die Antwort sein nach den zwölf Jahren, in denen sich der Hochmut der Nationalsozialisten hemmungslos ausgetobt hat“, bekräftigte der Pastor. Alle, die bis zum letzten Tag gnadenlos verfolgt wurden, die sich verstecken mussten oder versteckt wurden, wurden befreit. Bis zum 6. Mai 1945 stand auf das Hissen weißer Flaggen die Todesstrafe.

Für die Henker und Schergen bedeutete dieser Tag, sich für ihre Untaten verantworten zu müssen.

„Ausgerechnet in der Ukraine, an der sogenannten Ostfront, wo einst die deutsche Wehrmacht, gefolgt von den Einsatzgruppen der SS, Tod und Verderben brachte, wüten nun die russische Armee und die Söldner der Wagner-Truppe.

Längst überwunden gedachte Ängste kriechen neu empor“, fuhr Pastor Moritz fort. Am 6. Mai 1945 begann die Zeitenwende. Bequem sei dieser Tag nicht, aber er fordere zum Nachdenken auf.

Oberbürgermeister warnt vor Gewöhnung an Kriegsbilder

Oberbürgermeister Carsten Feist stellte sich vor, wie die Menschen den 6. Mai 1945 erlebt haben mochten.

Als Tag, ab dem Töten und Morden nicht mehr begleiteten, als Tag der Hoffnung, Söhne und Väter möchten nach Hause kommen.

Trotz enormer Zerstörungen sei dieser Tag wohl mit der Hoffnung auf ein friedvolles Leben und normalen Alltag verbunden. „Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine in der Tagesschau kurz vor Sport und Wetter erwähnt wird“, mahnte er und erwähnte die in Wilhelmshaven aufgenommenen und gut integrierten Geflüchteten. Es solle heute aller Menschen gedacht werden, die Zeichen der Humanität sendeten.

Oberbürgermeister Carsten Feist (parteilos) mahnte, dass man sich niemals an Kriegsbilder gewöhnen darf, wie sie auch jetzt täglich aus der Ukraine in der Tagesschau zu sehen sind.

Quelle: Wilhelmshavener Zeitung von Henning Karasch vom 8. Mai 2023

 

Erinnerung an die Kapitulation

Am 6. Mai 1945 ging auch für die Zivilbevölkerung der Krieg zu Ende

Kapitulation und Kriegsende: Die Stadt Wilhelmshaven richtete gemeinsam mit der evangelischen und der katholischen Kirchengemeinde am 6. Mai eine zentrale ökumenische Gedenkfeier aus. Erinnert wurde an das Ende des Zweiten Weltkrieges und an die Kapitulation der Stadt Wilhelmshaven in der Kapelle am Friedhof Heilig Land aus.

Sinnlose Opfer

Gedacht wurde damit auch dem Einrücken der 1. Polnischen Panzerdivision in Wilhelmshaven, womit im Mai 1945 der Krieg auch für die Zivilbevölkerung zu Ende ging. Die Veranstaltung begann mit dem Gottesdienst, der an die Gräueltaten der deutschen Wehrmacht erinnerte und führte mit einem Schweigegang zur Kreuzung Bismarckstraße/Schaarreihe, wo 1945 die Kapitulation stattgefunden hatte. Hier wurde von Oberbürgermeister Carsten Feist, Pastor Frank Moritz und Pfarrer Andreas Bolten eine weiße Fahne in den Bode gesetzt.

Frank Moritz und Andreas Bolten erinnerten genau wie Carsten Feist in ihren Reden an die sinnlosen Opfer, die der Krieg gekostet hat und auch an das Gefühl, dass die Menschen gehabt haben müssen, als es hieß: Nicht mehr in die Bunker zu rennen bei Fliegeralarm und auch den Überlebenskampf in einer zu zwei dritteln zerstörten Stadt zu beenden. „Wir haben keine bleibende Stadt, wir suchen die zukünftige Stadt“, wurden Zeitzeugen in den Reden zitiert. Pfarrer Andreas Bolten fragte, wie wohl die Menschen damals das Ende des Krieges erlebt haben, ohne Angst, vielleicht mit Träumen für die Zukunft, oder Aufbruchstimmung?

Wieder Krieg in Europa

„Wir, die Nachkriegsgenerationen können uns in diese Situation nicht hineinversetzen“, sagte er. Es war auf jeden Fall ein Tag, der mit viel Hoffnung verbunden war, sagten alle drei Redner. Pastor Frank Moritz erinnerte, dass jetzt, nach 78 Jahren wieder ein sinnloser Krieg in Europa tobe, der Menschenleben fordere. Ukrainische und russische Soldaten würden durch einen Aggressor geopfert, genau in den Orten, wo damals die deutsche Wehrmacht das Morden auf Befehl durchgeführt habe. Carsten Feist verwies auf die bisher durch eine Schätzung ermittelten 8700 zivilen Opfer, darunter über 500 Kinder, die der Krieg, keine zwei Flugstunden von uns entfernt, in der Ukraine bisher das Leben gekostet habe. „Die tatsächlichen Zahlen sind mit Sicherheit höher“, so Feist.

Quelle: Nordwest  Sonntagsblatt vom 14. Mai 2023