St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

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Für Arbeit in Kitas plötzlich zu unqualifiziert

Sie spielt, tröstet, putzt Nasen und hat ein offenes Ohr, wenn mal der kleine Schuh drückt. Sie führt Gespräche mit den Eltern, unterstützt bei der Sprachförderung – und hält den Erzieherinnen den Rücken frei für ihre pädagogische Arbeit.

Als Quereinsteigerin plötzlich tabu

Seit fünf Jahren zählt Martina Vienup zum Team der katholischen Kindertagesstätte „Arche Noah“. Sie ist gelernte Juwelierfachverkäuferin, Mutter einer 24 Jahre alten Tochter, arbeitete zuletzt im Buchhandel und hat sich als Quereinsteigerin zur sogenannten „Quik“-Kraft nachqualifizieren lassen. 2019 wurde das Programm durch die Richtlinie „Qualität in Kitas“ abgelöst.

Doch jetzt soll Schluss damit sein. Ende Juli muss die 54-Jährige gehen, weil das Förderprogramm des Landes Niedersachsen ausläuft und Vienup keine sozialpädagogische Ausbildung vorweisen kann. „Sie will bleiben, wir wollen sie gerne behalten – aber der Gesetzgeber lässt das nicht zu“, erklärt Kita-Leiterin Birgit Menninga das Dilemma, in dem derzeit viele Einrichtungen und Zusatzkräfte stecken. Eine weitere Mitarbeiterin habe bereits im September gekündigt wegen der unsicheren Aussichten. „Neu besetzen ließ sich ihre Stelle nicht wegen der Befristung bis Juli. Dafür gibt es keine Interessenten“, sagt Cordes.

Online-Petition soll Politik wachrütteln

Die Elternschaft der Kita „Arche Noah“ läuft bereits Sturm. Allen voran Elternvertreterin Vanessa Benjamins, die eine Online-Petition ins Leben gerufen hat. „Ich fordere die Weiterfinanzierung der Quik-Kräfte und die Schaffung eines Titels, der diese wertvollen Mitarbeitenden zu vollwertigen Angestellten der Einrichtungen macht“, sagt die Mutter. Für sie kommt nur eine Alternative in Frage, sollte das Programm nicht fortgesetzt werden: Die bisherigen Zusatzkräfte müssten eine reguläre Anstellung im pädagogischen Bereich auch ohne den Titel Sozialassistentin bekommen. Dafür sammelt die Wilhelmshavenerin Unterschriften.

Benjamins ist selbst Erzieherin und hat in der Kindertagesstätte „Arche Noah“ gearbeitet. Inzwischen ist die Mutter von drei Kindern freiberuflich tätig. „Ich weiß, was Martina Vienup leistet“, sagt die 36-Jährige. „Sie hat sich qualifiziert und fünf Jahre bewährt – da darf eine Weiterbeschäftigung nicht an einer Begrifflichkeit scheitern.“

Erst recht nicht in Zeiten des Fachkräftemangels, der längst Folgen hätte, sagt Benjamins: Betreuungszeiten werden reduziert oder Gruppen zeitweise geschlossen, weil Fachkräfte krankheitsbedingt ausfallen oder freie Stellen mangels Bewerbungen unbesetzt sind – das sei beinahe Alltag in vielen Kindertagesstätten. Und die Kita „Arche Noah“ bilde da keine Ausnahme. „ Durch die Unterstützung von Zusatzkräften wie Martina Vienup ist es wenigstens möglich, in diesen Fällen eine Notbetreuung in betroffenen Gruppen anzubieten“, sagt Kita-Leiterin Birgit Menninga.

Martina Vienup mag noch gar nicht daran denken, die Kita verlassen zu müssen. „Ich liebe es, mit Kindern zu arbeiten“, sagt sie. Das Förderprogramm kam damals wie gerufen. Vienup ist Pionierin, zählte in Wilhelmshaven im November 2017 zu den Teilnehmenden des ersten Lehrgangs.

Berufsqualifizierung mit Hürden verbunden

Die Qualifizierung zog sich über ein Jahr hin. Einmal die Woche und alle vier Wochen ein Seminar am Samstag. Insgesamt musste Vienup 160 Unterrichtsstunden absolvieren. Sie wollte aber noch mehr lernen, nahm über die Kita „Arche Noah“ freiwillig an Fortbildungen teil: Autogenes Training, Sprachförderung, gewaltfreie Kommunikation.

Gerne hätte sie auch die Fachausbildung in Angriff genommen. Um weiterarbeiten zu dürfen, müssten Betroffene wie Vienup die Schulbank drücken. Die vollschulische Ausbildung zur Sozialassistentin dauert regulär zwei Jahre, bis zur Erzieherin sind es noch einmal zwei.

Zwar können die über das Förderprogramm qualifizierten Zusatzkräfte direkt in die zweite Klasse der Ausbildung zur Sozialassistenz einsteigen, aber sie müssten ihre Arbeitsstellen kündigen – und im Falle der Erzieherausbildung bis zu drei Jahre ohne ein regelmäßiges Gehalt auskommen. „Danach wäre ich 60 Jahre alt“, sagt Vienup. „Welche Kita will mich dann noch als Erzieherin haben?“

Quelle: Wilhelmshavener Zeitung von Stephan Giesers vom 16. Januar 2023

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