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Gleich am ersten Tag die beste Freundin gefunden

Eine neue Heimat für Kobra Mohsin aus Afghanistan – Café International in Fedderwardergroden

Seit Kobra Mohsin im Oktober 2015 aus Afghanistan nach Wilhelmshaven kam, fühlt sie sich hier sehr wohl.

Mit ihrer Familie geht die 32-Jährige gern zum Café International in den Räumen der Christus König Kirche Fedderwardergroden.

Erste Deutschkenntnisse erwarb Kobra Mohsin, deren zweites Kind in Wilhelmshaven zur Welt kam, in einem ehrenamtlich durchgeführten Kursus montags bis freitags in der Innenstadt, später bei der Friedenskirche Fedderwardergroden.

Das Café International sei Ostern 2016 parallel zu den Deutschkursen mit den Pfarrern eingerichtet worden, berichtet Integrationslotse Sigmar Gerhards.

Er unterhält auch regen Kontakt zu Familien aus Burundi, Georgien und der Ukraine, ist den ganzen Tag als Integrationslotse erreichbar und im Stadtnorden unterwegs.

Sigmar Gerhards bewundert Kobra Mohsin für ihre Leistung. „Sie musste nicht nur das Alphabet mit mir lernen, sondern konnte vorher auch kein Farsi, die Landessprache Afghanistans, schreiben“, berichtet der 61-Jährige. Der Sprachlevel 1 und der Test „Leben in Deutschland“ seien Voraussetzung für Aufenthaltstitel, Ausbildung und Arbeit.

Sigmar Gerhards ist ganz begeistert, dass Kobra Mohsin mittlerweile eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten begonnen hat.

Auf der Berufsschule kommen neben medizinischen Fachbegriffen noch Englisch und Mathematik hinzu.

Verständigung am Anfang schwer

Sigmar Gerhards und Cornelia Lieberei kennen Kobra Mohsin und deren Familie vom Erstbesuch 2015, eine Woche nach ihrer Ankunft.

„Die Adresse hatten wir von der Stadt. Ich wundere mich heute noch, dass uns die Familie so hereinließ. Wir haben grundsätzliche Fragen, anfangs mit Händen und Füßen, zu Kindergarten und Schule, zu Herd, Kühlschrank und Waschmaschine sowie später Jobcenter-Unterlagen erklärt“, erinnert sich die Integrationslotsin.

Den Kursus dazu besuchte sie 2015 an der Volkshochschule. Dort begegneten sich Cornelia Lieberei und Sigmar Gerhards und wurden sozusagen ein ökumenisches Integrationslotsen-Gespann.

Der 61-Jährige war 2014 in Vorruhestand bei einer Versicherung gegangen. Dort war er Personalrat, Vertrauensmann und Ortsverbandsvorsitzender Oldenburg einer Gewerkschaft.

Seit 30 Jahren gehört Sigmar Gerhards Amnesty International e.V. an und war 2015 Mitgründer deren Gruppe in Wilhelmshaven. Seine Töchter sind beide Grundschullehrerinnen.

Dorfleben ohne Bildung

Kobra Mohsin wuchs in der zentralafghanischen Provinz Daikondi auf, in einem namenlosen Dorf, und gehört als schiitische Muslima zur Volksgruppe der Hazara.

„Ich war die Jüngste zuhause“, berichtet die 32-Jährige. Ihre vier Schwestern und drei Brüder leben noch in Afghanistan.

Als Mädchen durfte Kobra Mohsin keine Schule besuchen.

Da ihre Mutter vor elf Jahren verstorben war, half sie ihrem Vater, einem früheren Polizisten, bei der Landwirtschaft mit Kuh und Hühnern.

„Mit den Taliban hatten wir nie Probleme. Aber ich hatte gehört, dass Frauen in Europa auch etwas lernen dürfen“, begründet Kobra Mohsin ihre Entscheidung, mit ihrem Mann, der aus ihrem Dorf stammt, und ihrem Kind Afghanistan zu verlassen.

Von ihrem Vater erhielten sie Geld für die Reise. „Ich höre jetzt alle zwei bis drei Wochen von ihm.

Er hat Angst, in die Stadt zu gehen“, berichtet Kobra Mohsin, die bedauert, dass Frauen nicht mehr ohne Mann einkaufen dürfen.

Durch den Iran und die Türkei ging es für die dreiköpfige Familie mit Bussen und Taxi, nach Griechenland per Fähre. Zunächst kamen sie nach Bonn, wo sie einen Monat blieben, um dann für drei Monate nach Hannover zu ziehen. „Auf dem Weg hatten wir keinen Kontakt zu Familie und Freunden“, erinnert sich Kobra Mohsin. Erneut mit einem Bus kam die Familie in Wilhelmshaven an. 

Wohnung in Fedderwardergroden

Mit drei Familien teilte man sich die ersten drei Wochen eine Unterkunft, bevor es in die Wohnung in Fedderwardergroden ging, die sie noch heute bewohnen.

Kobra Mohsins elfjährige Tochter besucht das Neue Gymnasium Wilhelmshaven.

Kobra Mohsin, ihr Ehemann und die Kinder gehören schon fast zur Familie, sagen Sigmar Gerhards und Cornelia Lieberei übereinstimmend.

Kobra Mohsin hat hier gleich zu Beginn einige Kontakte zu Geflüchteten aus Afghanistan und Arabien geknüpft. Und sie hat gleich am ersten Tag Soraya Ahmadi kennengelernt. Sie stammt aus Nord-Afghanistan, ist ebenfalls 32 Jahre alt, kam über Diepholz nach Wilhelmshaven und möchte am liebsten Friseurin werden. „Wir haben uns gewünscht, in die gleiche Straße zu ziehen."

Tanzabend und Kaffeeklatsch

Jedes Wochenende treffen wir uns mit weiteren Frauen zum Tanzabend.

Obwohl wir es könnten, gehen wir nicht aus“, berichtet Kobra Mohsin.

Jeden Dienstag gehen Kobra Mohsin und Soraya Ahmadi zum Café International, wo sich jeweils zehn bis 15 Gäste treffen.

Einmal im Jahr ist großer Kaffeeklatsch, zu dem Soraya Ahmadi eine Torte backt.

Radfahren hat sich Kobra Mohsin im Park beigebracht.

Die Integrationslotsen besorgten Fahrräder, ein pinkes Hello Kitty-Fahrrad mit Stützrädern für ihre Tochter, die hier in den Kindergarten kam.

„Wilhelmshaven ist klein, man kann alles gut erreichen“, lobt Kobra Mohsin ihr neues Zuhause. Drei Jahre lang besuchte die Familie eine Moschee in Wilhelmshaven, die aber seit zwei Jahren geschlossen ist.

Quelle: Nordwest Sonntagsblatt von Henning Karasch vom 22. Januar 2023

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