St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

Navigationsmenüs (Bischöflich Münstersches Offizialat)

Die Not macht keine Ferien

SOZIALES - Lebensmittelausgabe „Tischlein deck dich“ verteilt Ware vor Festtagen

Der Wind pfeift, es ist kalt an diesem Samstagvormittag. Dichtgedrängt sitzen sie auf den Bänken vor der Kirche, unterhalten sich.

Einige rauchen eine Zigarette, andere holen schon mal ihre Einkaufstüten heraus.

Während die Menschen in der Innenstadt an diesem Wochenende noch Geschenke besorgen und gemütlich über den Weihnachtsmarkt schlendern, ist das für Jutta, Iris, Katja und Claudia undenkbar.

Die Frauen stehen an. Nicht etwa für Geschenke, sondern für Lebensmittel.

Jutta schiebt ihren Rollator ein Stück nach vorn.

Sie ist jeden Samstag hier, hat in der Vergangenheit trotz eigener Bedürftigkeit bei der Verteilung von Lebensmitteln geholfen.

Sie weiß, was es bedeutet, wenn am Ende des Monats nichts übrigbleibt.

Drei Kinder hat sie großgezogen – allein. Einer Arbeit nachgehen konnte sie in dieser Zeit nicht.

Von ihrer kleinen Rente kann sie sich kaum etwas leisten

Besonders Obst und Gemüse seien einfach nicht drin. „Wenn nur einer der Politiker einen Monat von Grundsicherung leben müsste, dann hätte sich das Problem erledigt“, ist sich die Seniorin sicher. Ob sie sich auf Weihnachten freut? Jutta zuckt mit den Schultern. „Nicht wirklich, aber ich bin Kummer gewohnt.“

Kaffee, Kekse, Gemüse, - die ehrenamtlichen Helfer der Lebensmittelausgabe legen alles zurecht, bevor sich gleich die Türen der ehemaligen katholischen St. Michael Kirche öffnen.

Alle tragen heute rote Weihnachtsmützen, versuchen, eine festliche Stimmung zu schaffen.

60 Familien stehen auf der Liste

„Wir haben weniger bekommen als in den vergangenen Wochen“, sagt Tina.

Sie leitet die Gruppe der Helfer. „Die Läden sind ziemlich leer, zudem kalkulieren Supermärkte immer besser, um Verschwendung zu vermeiden.“

Trotzdem wolle man den Menschen vor den Feiertagen etwas anbieten. „Wir haben zuletzt Kaffee oder Chips etwas rationiert, damit wir es ihnen zu den Festtagen mitgeben können.“

Im Sommer gründete sich die Lebensmittelausgabe „Tischlein deck dich

Schnell bot sich die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit den Maltesern.

Jeden Samstag verteilt die Gruppe in der Kirche an der Freiligrathstraße Lebensmittel an Bedürftige. „Aktuell sind bei uns 60 Familien gelistet.“ Nicht immer würden alle kommen, aber im Schnitt versorgen die Helfer 40 Familien an einem Samstag.

Frühmorgens holen sie die Lebensmittel von den Supermärkten ab, danach wird alles sortiert.

Das Engagement gehe weit über den Samstag hinaus, betont die Gruppensprecherin.

Oft sind die Ehrenamtlichen in der Woche unterwegs, zudem muss der Müll entsorgt werden.

„Wir retten, was zu retten ist“, sagt Tina. Mittlerweile hat das Team eine Truhe angeschafft, so können etwa Fleischwaren eingefroren werden.

Selbst am Heiligabend werden einige noch zum Markt fahren, dort hat man ihnen Ware in Aussicht gestellt.

Denn am nächsten Samstag geht es wieder weiter.

Helfer Marco öffnet die Türen und ruft die ersten Nummern auf.

Nach und nach strömen die Bedürftigen in die Kirche.

Gegen eine kleine Gebühr dürfen sie sich die Lebensmittel einpacken.

Viele Krisen und Schicksale

Auch Jutta, Iris, Katja und Claudia betreten die Kirche.

Auf den ersten Blick scheint die vier Frauen nichts miteinander zu verbinden.

Und doch sind sie unverschuldet in eine Situation geraten, aus der sie ohne fremde Hilfe nicht mehr herauskommen: schwere Erkrankungen oder die Pflegebedürftigkeit eines Partners.

Und noch etwas eint die Bedürftigen: Sie haben ihr Leben lang einen Beruf ausgeübt, der gering bezahlt wurde. „Wir sitzen alle im gleichen Boot“, resümiert Katja und Claudia nickt zustimmend.

Beide Frauen haben eine schwere Krebserkrankung überstanden, können seitdem nicht mehr arbeiten. „Oft bleiben nur 200 Euro im Monat über, wenn überhaupt“, sagt Katja.

Ohne die Ausgabe würden sie kaum über die Runden kommen.

Ob sie Scham empfinden?

Katja und Claudia schütteln den Kopf. „Nein, nicht mehr“, sagt Claudia.

Die Situation sei nun mal jetzt so.

Keine Geschenke an Heiligabend

Ein kleiner Strauß Blumen, etwas Obst und Gemüse – Iris hat einiges in ihrer Tüte. Ihr Mann ist pflegebedürftig, beiden bleibt nur wenig Geld zum Leben. Anfangs sei der Gang zur Lebensmittelausgabe schwer gewesen. „Man schämt sich ja schon.“

Auf die bevorstehenden Feiertage freut sie sich trotzdem.

Dann kommen ihre Kinder vorbei.

Geschenke wird es aber nicht geben. „Die Zeit miteinander zu verbringen, ist viel wichtiger.“ Iris’ Kinder arbeiten selbst hart für ihr Geld, wissen, dass ihre Mutter zur Lebensmittelausgabe geht und würden ihr gerne hier und da etwas zustecken. „Würden Sie Geld von Ihren eigenen Kindern annehmen?

Nein, wohl nicht“, sagt sie, lächelt leicht und wünscht frohe Feiertage.

Quelle: Wilhelmshavener Zeitung von Kea Ulfers vom 23. Dezember 2024