St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

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Militärpfarrer erinnert sich an Tsunami-Einsatz

KATASTROPHENHILFE - Für Gerhard Schehr ist die bewegende Zeit vor Banda Aceh durch Medien-Berichte wieder lebendig

Als am zweiten Weihnachtstag die Medien über die Tsunami-Katastrophe in Südostasien vor 20 Jahren berichten, sind bei Gerhard Schehr sofort die Bilder wieder da: „Die unglaublichen Zerstörungen an Land, die wir bei einer Fahrt gesehen haben, hier und dort tote Menschen in den Bäumen. Grauenhafte Bilder!“, sagt der ehemalige katholische Militärpfarrer. „Doch vor allem sehe ich wieder die lachenden Gesichter der Menschen, denen wir damals helfen konnten – und ihr zufriedenes Lächeln beim Eisessen an Bord der ,Berlin’.“

Das aus der Bordkantine stammende Eis habe den Patienten sehr geschmeckt.

Hilfeleistung statt Anti-Terror-Mission

Der heute 79-Jährige bezeichnet sich selbst als „Pfarrer in Ruf- und Reichweite“, denn er sei nicht wirklich im Ruhestand.

Im Januar 2005 wurde Schehr für mehrere Monate als Seelsorger in den Einsatz zur „Berlin“ geflogen.

Der Einsatzgruppenversorger war seinerzeit von einer Anti-Terror-Mission am Horn von Afrika abgezogen und zur humanitären Hilfeleistung für die Flutopfer vor die Küste der Provinz Banda Aceh auf Sumatra entsandt worden.

Kommandant der „Berlin“ war zu der Zeit Fregattenkapitän Wolfgang Telschow; er hatte seine neuen Anweisungen von Verteidigungsminister Peter Struck erhalten.

Da lag das Schiff gerade zur Nachversorgung in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE).

Zuvor hatte die indonesische Regierung auch der militärischen Hilfe von anderen Staaten zugestimmt, wie die Presse damals berichtete.

Silvester 2004 konnte die Besatzung der „Berlin“ 100 Feldbetten an Bord bringen, die kurzfristig von der Regierung der VAE beschafft worden waren.

Helfen statt feiern war die Devise für die Besatzung. „Für die Lage an Land gibt es nur ein Wort: Inferno“, fasste Pfarrer Schehr 2005 seine Eindrücke nach der Rückkehr im Gespräch mit dieser Zeitung zusammen.

Dabei sei ihm „noch deutlich anzumerken, wie stark ihn das Leid, die Zerstörung, die Konfrontation mit der brutalen Naturgewalt beeindruckt hat“, hieß es im Artikel.

Der Militärseelsorger berichtete darin unter anderem von „Tränen der Freude“, als er großzügige Spendenmittel aus Wilhelmshaven an die katholische Gemeinde in Banda Aceh übergeben hat.

Zum Trösten in die Arme nehmen

„Ich selbst habe in dem Einsatz jeden Tag ein Wort mehr Indonesisch gelernt – und die Menschen haben sich gefreut, wenn ich sie in ihrer Sprache angesprochen habe“, erinnert sich Gerhard Schehr.

„Manchmal half es schon, Leute einfach zum Trost in die Arme zu nehmen.“

20 Jahre später blickt er dankbar zurück auf das, was die deutschen Helferinnen und Helfer damals für die Flutopfer in Banda Aceh geleistet haben.

Die medizinische Kunst und Liebe der Ärzte und Pfleger habe damals so viel Leid gelindert.

,Fritzchen’

„Ich erinnere mich besonders an ,Fritzchen’, ein zehn Monate altes Kleinkind, um das sich alle auf der ,Berlin’ rührend gekümmert haben.“

Es sei alles vorbereitet gewesen, um den Kleinen in eine Spezialklinik nach Erfurt auszufliegen. Leider habe die indonesische Regierung diese Aktion verweigert.

„Alle beteten mit der Mutter um das Leben des Jungen. Erfolgreich. Irgendwann machte sie sich mit ,Fritzchen’ auf den Weg zurück in ihr Dorf. Wir hegten die Hoffnung, dass wir uns langfristig über die Botschaft um ihn kümmern könnten.“ Pfarrer Schehr hält einen Moment inne. „Leider habe ich nie wieder etwas von den beiden gehört.“

Schwimmendes HOSPITAL auf der „Berlin“

Die „Berlin“ verfügte mit ihrem eingeschifften medizinischen Personal und dem Marine-Einsatz-Rettungs-Zentrum (Merz) an Bord über eine leistungsfähige Krankenversorgung inklusive zweier Operationssäle und einer Intensivstation.

An Land halfen deutsche Soldaten nach Kräften ebenfalls beim Wiederaufbau des von der Flutwelle zerstörten Provinzkrankenhauses.

Andere Soldaten errichteten und betrieben ein Feldlazarett in Banda Aceh.

Die beiden Hubschrauber vom Typ „Sea King“ sowie die Beiboote erwiesen sich beim Hilfseinsatz als unersetzlich, um unermüdlich Menschen und Material zu transportieren.

Bei der Heimkehr am 22. April 2005 wurde die Besatzung der „Berlin“ von allen gefeiert.

Quelle: Wilhelmshavener Zeitung von Michael Halama vom 6. Januar 2025