St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

Navigationsmenüs (Bischöflich Münstersches Offizialat)

24. Juni 2022

„Qualitätsoffensive geht nach hinten los“

Gesetz hat Fachkräftemangel vergessen – Personalnot kann zu Gruppenschließungen führen

In jeder Kindergartengruppe muss mindestens eine Erzieherin oder ein Erzieher vor Ort sein. So besagt es das seit August 2021 geltende, neue niedersächsische Kita-Gesetz. Damit, so die Absicht der Gesetzgeber, soll die Qualität der Einrichtungen gestärkt werden. „An sich eine sehr gute Idee“, findet Kai Wessels, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft evangelischer und katholischer Kindergärten in Wilhelmshaven. „Aber sie geht leider nach hinten los.“

Die Gesetzeslage

Das größte Problem am neuen „Niedersächsischen Gesetz über Kindertagesstätten und Kindertagespflege“ (NKiTaG), wie es genau heißt, sei das schnelle Inkrafttreten gewesen. Am 6. Juli 2021 wurde es im Landtag verabschiedet, seit August greift es. Eine zentrale Vorgabe darin: pro Kita-Gruppe mindestens ein Erzieher. „Die Träger sind dazu verpflichtet, diese Personalstärke auch grundsätzlich vorzuhalten. Sollte das einmal nicht möglich sein, müssen die betroffenen Gruppen in dieser Zeit geschlossen werden.“

Fachkräfte fehlen

Gäbe es ausreichend Erzieher in den Einrichtungen, wäre das vermutlich kein oder zumindest nur ein kleines Problem. Es fehle auch nicht am nötigen Geld, um mehr Personal einzustellen. Es mangelt schlicht an den Fachkräften selbst – und das landesweit. „Noch dazu befinden wir uns in einer besonderen Situation. Zum einen haben wir es weiterhin mit Corona zu tun, so dass immer wieder Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen, was in den Einrichtungen nur schwer oder gar nicht zu kompensieren ist. Zum anderen haben wir mit einer hohen Sozialassistenz-Flucht zu tun, was den Personalbestand noch zusätzlich ausdünnt“, erklärt Wessels.

Sozialassistenz-Flucht

Viele dieser Sozialassistenten flüchten nicht etwa aus dem Beruf, sondern möchten sich vielmehr weiter qualifizieren und Erzieher werden. Dafür müssen sie allerdings aber zurück in die schulische Ausbildung. Eben hier beißt sich die Katze in den Schwanz. „Diese Ausbildung dauert ja auch wieder und kann nicht nebenbei gemacht werden. Also müssen die angestellten Sozialassistenten in ihrer Kita kündigen, um in die Ausbildung gehen zu können. Das bedeutet, sie fehlen uns dann zusätzlich vor Ort“, weiß Katrin Draschar, Leiterin der Kita Bant II, aus leidlicher Erfahrung.

Hinzu komme, dass es viel zu wenige Ausbildungsplätze gibt, um den Bedarf überhaupt decken zu können, was nicht zuletzt dem Mangel des entsprechenden Lehrpersonals geschuldet ist, ergänzt dazu Wessels. Glücklicherweise habe jetzt an den Berufsbildenden Schulen eine weitere Gruppe aufgemacht werden können. In der aktuellen Lage helfe das natürlich nicht.

Mehr Vorlaufzeit | Der Markt ist leer gefegt

„Ich hätte mir bei der Umsetzung dieses Gesetzes eine Vorlaufzeit gewünscht, so wie es sie bei anderen Gesetzen auch gibt – vielleicht zehn Jahre“, sagt die Kita-Leiterin. Mit dem vorhandenen Personalbestand könnten die Vorgaben jedenfalls nur sehr schwer erfüllt werden, zumal auch externe Dienstleister kaum noch Vertretungskräfte schicken könnten. „Der Markt ist leer gefegt“, sagt Draschar. Dementsprechend habe es auch in ihrer Kita schon einzelne kurzzeitige Gruppenschließungen gegeben. „Das ist für die betroffenen Eltern dann natürlich sehr schwierig.“ Man wolle ja nicht schließen, aber manchmal sei es die einzige Möglichkeit.

Qualitätsoffensive

Zustimmung gibt es für diese Einschätzung von Wessels, wenngleich er den Zeitrahmen für eine Übergangszeit mit fünf Jahren deutlich kürzer bemisst. Dass es einen solchen Vorlauf gebraucht hätte und immer noch braucht, sei unstrittig. Den Grundgedanken, die Qualität in Kitas über ein Gesetz weiter zu verbessern, findet Wessels weiter richtig. „Aber diese Qualitätsoffensive ist nach hinten losgegangen!“

Quelle: Wilhelmshavener Zeitung von Lutz Rector vom 24. Juni 2022