St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

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Starkes Zeichen gegen Hass, Terror und Krieg

Gestern Abend Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht

 „Die Gespenster der Vergangenheit tauchen wieder auf: Krieg, Inflation, Verschwörungstheorien, Antisemitismus“, sagte Pastor Frank Moritz gestern Abend. „Passen wir auf!“ Der Zeitpunkt seiner Mahnung hätte passender nicht gewählt sein können, denn es jährte sich zum 84. Mal die Reichspogromnacht.

Am 9. November 1938 brannten in Deutschland Synagogen und jüdische Geschäfte. Der Antisemitismus der Nationalsozialisten trat offen zutage. Juden wurden verfolgt, misshandelt, interniert und getötet. Nachdem es in früheren Jahren in Wilhelmshaven zwei Gedenkveranstaltungen gab, eine kirchliche und eine gewerkschaftliche, wird inzwischen gemeinsam der Opfer gedacht.

Ökumenisches Abendgebet in der Kirche, dann ein Schweigemarsch zum Synagogenplatz an der Börsen-/Ecke Peterstraße mit abschließender Kranzniederlegung – so ist der alljährliche Ablauf. In diesem Jahr fand das Abendgebet, bei dem auch immer die Namen der jüdischen Opfer in Wilhelmshaven verlesen werden, in der St. Willehad Kirche statt.

Dechant Andreas Bolten, die evangelischen Pastoren Frank Moritz und Kai Wessels, Axel Opitz (Vorsitzender des DGB-Stadtverbandes Wilhelmshaven) und Oberbürgermeister Carsten Feist spannten in Fürbitten einen Bogen von der NS-Zeit bis in die Gegenwart.

Den Anfang machte Pastor Wessels, der an das Leid von „Millionen Menschen aus ganz Europa und auch aus unserer Stadt, die in den Jahren der NS-Zeit beleidigt, entrechtet und umgebracht wurden“, erinnerte. Sinti und Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, politisch Verfolgte und behinderte Menschen schloss er ausdrücklich mit ein.

Dechant Bolten blickte auf den „Krieg Putins gegen die Ukraine“, der auch ein Vernichtungskrieg gegen die Religion und Kultur des Landes sei. Neben 194 Kirchen seien dort bereits 66 Gebäude der Zeugen Jehovas sowie fünf Moscheen und fünf Synagogen zerstört worden.

Opitz drückte seinen Schrecken vor dem Hass gegenüber Juden in Deutschland aus. Niemand dürfe wegschauen, damit sich das Unrecht nicht durchsetzen könne und bat um den nötigen Mut, gegen Antisemitismus auf- und einzustehen.

Pastor Moritz bat um das Einstehen für den Staat Israel, um Frieden für Palästinenser und Israelis sowie um Wege aus Terror und Krieg. Oberbürgermeister Feist schloss sich ihm an und bat darüber hinaus um Frieden für den ganzen Nahen Osten, um Frieden in der Ukraine, um Frieden für die ganze Welt.

 

Antisemitismus keine Chance geben

Deutliche Appelle beim ökumenischen Abendgebet – Haltung und Entschiedenheit angemahnt

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden in Deutschland Synagogen und jüdische Geschäfte in Brand gesteckt. Der Antisemitismus der Nazis hatte sich öffentlich endgültig Bahn gebrochen. Am Mittwochabend gedachten Kirchen, Gewerkschaften, Politik, Verwaltung und Gesellschaft gemeinsam der Opfer der Reichspogromnacht und der NS-Diktatur.

Auftakt der Gedenkveranstaltung war ein ökumenisches Abendgebet in der katholischen St. Willehad Kirche

 Anschließend zogen die Teilnehmer schweigend zum Synagogenplatz Börsen-/Ecke Parkstraße, wo nach kurzen Ansprachen ein Kranz und an den Stelen mit den Namen der jüdischen Opfer kleine Steine niedergelegt wurden.

Beim Abendgebet verlasen Dechant Andreas Bolton, Mieke Lippels als Vertreterin der Jugend, Pastor Frank Moritz, Oberbürgermeister Carsten Feist, Pia Busemann als zweite Jugendliche, Pastor Kai Wessels und Axel Opitz als Vorsitzender des DGB-Stadtverbandes die Namen der Opfer. Als sieben Vertreter zündeten anschließend eine Kerze an.

Der Veranstaltungsverlauf sei zwar jedes Jahr gleich, erklärte Moritz. Es gebe aber immer bestimmte Akzente, dieses Mal Bezüge zu Ereignissen mit antisemitischem Hintergrund im laufenden Jahr.

Dechant Bolton erinnerte daran, dass sich 2022 die Attentate auf israelische Sportler bei den Olympischen Spielen 1972 in München zum 50. Mal jährten, rückte aber vor allem die Geschehnisse auf der diesjährigen Documenta in den Fokus. Dort waren antisemitische Karikaturen gezeigt worden, was einen Skandal ausgelöst hatte. Dem Geschäftsführer der Documenta, Alexander Fahrenholz, warf die Jüdische Gemeinde in Frankfurt eine Verharmlosung von Antisemitismus vor, sagte Bolten. An Fahrenholz aber sei das abgeperlt. Er habe in einem Interview gesagt, ihm fehle die Expertise, deshalb fühle er sich nicht angesprochen. „Ich fühle mich nicht angesprochen“ – diesen Satz hob Bolten mit fragendem Blick noch einmal ausdrücklich hervor.

Pastor Moritz blickte zurück auf eine gemeinsame Pressekonferenz von Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas. Letzterer sei als ein Drahtzieher des Attentats von München 1972 gefragt worden, ob er im Namen der Palästinenser eine Entschuldigung an Israel und Deutschland plane? Abbas entgegnete in aller Öffentlichkeit, während der Kanzler am Pult neben ihm stand, Israel habe selbst 50 Massaker in palästinensischen Dörfern verübt, das seien 50 Holocausts gewesen. „50 Holocausts?“, fragte ein fassungsloser Moritz.

Auch Pastor Wessels griff dieses Ereignis auf, vor allem die Tatsache, dass der Kanzler dem palästinensischen Gast danach die Hand schüttelte und das er es später bereut habe. „Aber in dem öffentlich wirksamen Moment fehlte es ihm an Entschiedenheit“, betonte Wessels. Es sollte sich allerdings jeder einmal selbst die Frage stellen, wie es mit der eigenen Haltung aussieht und ob er/sie im entscheidenden Augenblick rechtzeitig reagiert – oder zu spät?

Quelle: Wilhelmshavener Zeitung von Lutz Rector vom 10. November 2022