St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

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6. Juni 2020

Aus der Sicht einer Erzieherin

Am Donnerstag fand unser erstes vorschulisches Programm in der Kita Arche Noah seit der erweiterten Notbetreuung statt. 

Es gab einen ereignisreichen und auch sehr emotionalen Nachmittag, den ich hier einmal für Sie aus unserer Sicht darstellen möchte. Aus der Sicht einer Erzieherin...

Es ist Donnerstag Nachmittag. 

Ein vorschulisches Angebot steht an neben der vormittäglichen Notbetreuung.  Kollegen im Home Office haben es ausgearbeitet.

22 erwartungsvolle Augen schauen mir mit einer Mischung aus Vorfreude, die alten Spielkameraden wieder zu treffen, nagender Ungewissheit darauf, was sie hier heute erwartet und der Unsicherheit bezüglich der vielen neuen Regeln, die der einst so vertraute Kindergarten nun aufstellen musste.

Hygienekonzept | Regeln | Auflagen

Die uns gebotene Notwendigkeit, die uns alle schützen soll. Mein Mitgefühl schnürt mir den Hals zu.

Ich sehe die Klebestreifen auf dem Fußboden und denke darüber nach, dass ich 10 Wochen lang Zeit hatte mich daran zu gewöhnen.

Sie bedeuten den Eintretenden die erlaubten Wege in und aus der Kita. An dieser Gelb/Schwarz gestreiften Linie müssen die Kinder sich nun von ihren Eltern verabschieden. Sie dürfen nicht mit rein.

Da kommt nun meine Kollegin hinzu. Nur ein Drittel der Kinder kennt sie näher, wie ich auch, da sie nicht in unserer Gruppe sind. Dabei war doch mal Beziehungsarbeit so wichtig in unserer Arbeit...

Zunächst müssen alle 11 Kinder ihre Hände waschen. Auch so eine Notwendigkeit, die mir in der wochenlangen Notbetreuung schon ganz alltäglich vorkommt.

Bei den Kindern wieder fragende Blicke. Ich habe das Gefühl, dass sie mir eigentlich viel lieber die Arme um meinen Hals schlingen möchten, weil sie mich so vermisst haben.

Aber der Mindestabstand lässt es nicht zu.  Davon haben sie auch schon erfahren müssen.

Einmal mehr staune ich darüber, wie anpassungsfähig die Kleinen sind und das, wo sie doch erst wenige Jahre auf dieser Welt sind und einen geschützten Raum für ihre Entwicklung verdient hätten... wieder springt mich eine tiefe Traurigkeit an.

Aber keine Zeit.

22 Hände müssen gewaschen werden. Und das möglichst für 20 Sekunden, mit Seife. Damit die Seife optimal ihren Dienst erfüllt, erzähle ich was von einer Schaumfabrik, die durch die Reibung viel Schaum erzeugen muss.

„Und vergesst nicht die Mützen eurer Finger“!

Spielerisch versuche ich die Kinder am mittlerweile stetigen Hände waschen, Gefallen finden zu lassen.

Was soll ich auch anderes machen?

Kurz kommt mir das von den Kollegen erstellte Konzept, der vorschulischen Aktivität in den Kopf. Doch dann sehe ich, wie die ja schon „eigentlich großen Kinder“, den in den letzten Wochen frisch renovierten Gruppenraum und Flur wahrnehmen. Neugierig schauen sie sich um, aber STOP!

Nicht weiter!

Die Kinder dürfen sich nicht mit den Kindern der Notgruppe mischen. So lauten unsere Auflagen.

Dabei hatte mir grad noch ein Kind erzählt, wie es sich gestern mit einem Kind aus der Notgruppe beim Spielen auf dem öffentlichen Spielplatz traf.

Die Zweifel an den getroffenen Maßnahmen ereilen mich nicht das erste Mal, seit Beginn der Pandemie.

Erzählkreis | Bedeutung

Ich entscheide mich dafür, die Kinder erst einmal erzählen zu lassen, was sie in den letzten Wochen der Isolation von Freunden und älteren Verwandten erlebt haben und wie sie sich damit gefühlt haben.

Halt! Halt!

Die Kinder sind geradezu eine emotionale „Schaumfabrik“.

Sie plappern alle durcheinander.

Kaum ein Kind erinnert sich an, die einst erlernten Regeln, den anderen ausreden zu lassen.

„Wir haben ganz viel Spielzeug bekommen“ „Ich habe die ganze Zeit PlayStation spielen dürfen“ „Meine Katze ist weggelaufen“ ... und immer wieder dieselbe Frage...

Wann darf ich wiederkommen?

Der Anton* darf doch auch...! (*Name wurde geändert) ......

Fragen, auf die ich keine Antwort habe.

Ich versuche nahezu erfolglos, Ordnung in dieses Feuerwerk des kindlichen Redebedarfs zu bekommen.

Muss die Kinder immer wieder unterbrechen, um alle zu ihrem Recht kommen zu lassen.

Ja um auch den Kindern Gehör zu geben, die auf Grund ihrer, für uns fremden Muttersprache mehr Zeit benötigen, die Worte zu finden, die ihre Emotionen zum Ausdruck bringen sollen.

Bis heute war mir nicht klar, welche Bedeutung, welchen Stellenwert unsere Kita im Leben dieser kleinen Menschen hatte.

Sie hatten in den Wochen daheim den Hafen ihrer sozialen Verbindungen wieder neu schätzen gelernt.

Ein kleines Mädchen, mir vorher eher zurückhaltend und still bekannt, forderte lautstark und selbstbewusst in einem Telefonat der Mutter mit der Kita- Leitung sogar dazu auf, sofort mit der Leitung persönlich sprechen zu wollen, um die Rückkehr in seine Kita zu erfragen.

Nach einer guten Stunde ist die angebotene Vorschulaktivität zu Ende und ich habe kaum einen Punkt des erarbeiteten Konzepts umgesetzt.

Meine „Arbeit“ heute war weitaus wichtiger.

Ich durfte den Kindern meine Achtsamkeit schenken.

Das war ein Gefühl, dass mich viel mehr mit Zufriedenheit erfüllte, als jedes noch so gute Vorschulblatt.

Die Rückkehr in die sorgeberechtigte Hand kann dann auch nur noch mit Unterstützung der Kollegin aus der Notbetreuung erfolgen, da auch die Eltern Fragen haben.

Viele Fragen!

Die Kollegin versucht unermüdlich den Spagat zwischen ihrer eigenen Notbetreuungsgruppe und dem Informationsdurst der sie bombardierenden Eltern.

An dieser Stelle bedarf es wohl keine weitere Erwähnung darüber, dass wir hier von 11 zur gleichen Zeit abholenden Eltern sprechen.

Dennoch wundere ich mich auf meinem Weg mit dem Rad nach Hause, warum bist du eigentlich so erschöpft?

Nach Hause. Dort erwarten mich mein Mann und meine 2 Kinder.

Sie werden mich fragen, wie war dein Tag?

Und ich höre mich antworten, eigentlich wie immer.

Zu mehr fühle ich mich im Moment nicht imstande.

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