St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

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7. April 2021

Ostermarsch 2021

Am Ostermontag fand der traditionelle Ostermarsch für den Frieden coronabedingt als Menschenkette auf dem Deich statt.

Auf Anfrage des Veranstaltungskreises bat Pfarrer Andreas Bolten unsere Pastoralreferentin Daniela Surmann um einen geistlichen Beitrag. 

Die vollständige Rede können Sie hier lesen und auf der Homepage von Radio Jade hören oder auf der Facebookseite des Friedensmarsches Wilhelmshaven als Live-Video ansehen.

Der geistliche Beitrag von Pastoralreferentin Daniela Surmann

Der Friede beginnt in Dir

„Lasst uns anstiften zum Frieden! Lasst uns Friedensstifter sein.“ Das ist eine Zeile aus einem Lied, das ich mit Kindergartenkindern gesungen habe. Friedensstifter sein. Das verstehen die Kinder natürlich nicht global, sondern untereinander, wenn es Streit beim Spielen gibt. Aber kann man da von „Frieden stiften“ sprechen? Ist Frieden nicht viel größer? Geht’s da nicht um Abrüstung, um Versöhnung und Toleranz zwischen Volksgruppen und Völkern? Ja, natürlich. Und trotzdem fällt mir in diesen Tagen immer wieder auf, wie unfriedlich Menschen miteinander umgehen. Ob in der Warteschlange bei der Post oder bei Kommentaren im Netz. Wen wundert es denn da noch, dass es in der Welt so aussieht, wie es aussieht? Mich nicht wirklich. Und ich allein? Was soll ich tun? Klar, ich stehe hier auf dem Deich. Beteilige mich an diesem Ostermarsch. Mache damit deutlich, dass es der Frieden ist, den ich mir so sehr wünsche. Ich bete zusammen mit vielen glaubenden Menschen vieler Religionen um Frieden. Und wenn ich wieder einmal im Kindergarten bin, singe ich – wenn wir es wieder dürfen – „Lasst uns anstiften zum Frieden! Lasst uns Friedenstifter sein.“ Und? Hilft das? Bringt das was?

Der Blick auf die globale Situation, auf den Unfrieden im Netz und der Gesellschaft kann schon frustrieren. Deshalb möchte ich mit Ihnen allen einen Seitenblick versuchen.

Der Frieden im Großen braucht Frieden im Kleinen. Wie soll Frieden global funktionieren, wenn ich meinem Nachbarn nicht einmal „Moin!“ sagen kann. Und ich ziehe die Maschen noch enger: Wie kann ich mit meinen Mitmenschen friedlich leben, wenn in mir Kriege toben.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Das soll nun keine moralinschwangere Ansprache werden. Ich bin nur davon überzeugt: Wenn wir etwas ändern wollen, dann müssen wir das, was uns nervt, bei der Wurzel packen.

Frieden ist für mich ein Ergebnis, eine Frucht. Frieden ist eine Frucht von Gerechtigkeit. Und Gerechtigkeit meint: Strukturen zu schaffen, die von sozialer Gerechtigkeit geprägt sind. In ihr finden dann die ausgleichende, die austeilende und die legale Gerechtigkeit Anwendung.

Alle Menschen erhalten den Gegenwert für das, was sie geben. Die, die nichts zu geben haben, bekommen etwas. Das meint nicht nur Materielles, sondern ebenso Chancen auf Bildung oder das Recht wählen gehen zu können, kurz: Teilhabechancen. Und es gilt: Wer sich an die Gesetze hält, handelt gerecht.

Sie merken jetzt schon, wie wichtig es ist, dass auch die darunterliegende Ausrichtung stimmt. Denn was ist, wenn zum Beispiel die Gesetze an sich ungerecht sind? Das Ziel von Gerechtigkeit müssen das Zusammenleben und das Gemeinwohl sein. Die Würde eines jeden soll und muss respektiert werden. Die Menschenrechte bilden dafür einen guten Gradmesser. Sie zu schützen und zu verteidigen, ist wichtig.

Und? Haben Sie´s gemerkt? Wir sind im Denken schon wieder richtig groß gewor-den. Ich spreche von Gemeinwohl und der Würde eines jeden Menschen. Was ist aber mit dem Unfrieden, den Kriegen, in mir geworden?

Frieden, das ist auch eine Frucht der Liebe – nicht nur der Gerechtigkeit. Die Liebe ist vielleicht noch grundlegender. Ich meine nicht die romantische Liebe. Sie sollen auch nicht jedem Menschen um den Hals fallen – auch nicht außerhalb von Corona. Liebe das meint: Ich will dem anderen Gutes. Klingt ganz einfach, oder?! Ich will dem anderen Gutes. Das bedeutet aber gönnen können. Hand aufs Herz: Wie oft erwischen wir uns eigentlich beim Gedanken, dass wir uns wünschen jemand würde „die Quittung bekommen“ oder dass und der Satz „Tja, Charma is a bitch!“ auf den Lip-pen liegt? Ist das nicht ein Zeichen für Unfrieden in mir? Da kann ich dann noch so viel Frieden von anderen fordern. Nützt letztlich wenig, wenn ich nicht kläre, was in mir eigentlich abgeht.

Welche Ängste, welche Verletzungen trage ich? Und woher kommen sie? Vielleicht habe ich selbst wenig Liebe abbekommen und daher kommen Ängste und Missgunst? Und wenn ich die Maschen noch enger ziehe: Wie sieht´s denn mit meinem Ja zu mir selbst aus? Mit meiner Selbstliebe? Ich meine nicht Selbstverliebtheit und Egoismus – genau das eben nicht. Sondern die Liebe zu mir selbst, aus der ich allein und aufrecht stehen kann, ohne mich auf alles mögliche an Gütern und Sicherheiten stützen zu müssen.

Vielleicht ist es in dieser Zeit, in der wir seit mehr als 1 Jahr so krass auf uns selbst zurückgeworfen sind, passender denn je, mal reinzuhören, wo unsere Kriegsherde sind und auch warum. Nicht nur als Gewissenserforschung mit drohendem Zeigefinger. Sondern liebevoll. Wohlwollend. Was brauche ich? Und wie bekomme ich das, ohne es kompensieren zu müssen oder anderen ihr Glück zu neiden. Denn das wirkt sich wiederum negativ auf mich selbst aus.

In unseren Gottesdiensten beten wir darum, dass Gott uns seinen tiefen Frieden in unsere Herzen legt. Ich sehe mich dann vor dem inneren Auge nicht mit allen Leuten Händchen halten, sondern ich stelle mir vor, wie ich innerlich ruhig werde, wie meine Seele anfängt zu lächeln und zu strahlen und zu leuchten. Frieden das ist ein tiefer Wert im Inneren einer jeden Person.

Ich habe hier in Wilhelmshaven immer auch Menschen erlebt, die mir das alles, was ich jetzt theoretisiert habe, vorleben. Menschen in unserer Kirchengemeinde St. Willehad natürlich, aber nicht nur. Zwei Beispiele möchte herausheben:

Die Initiative „Wilhelmshaven – Heimat für alle“, die dazu motivieren will, dass wir uns als Wilhelmshavener Bürgerinnen und Bürger weltoffen und tolerant zeigen und uns so begegnen. Die so entgegen allen negativen Meldungen, die Lautstärke des Positiven verstärken wollen.

Und mir fallen die Sprecherinnen und Sprecher in unserer Reihe „Gebet für die Stadt“ ein. Sie berichteten über die Coronaeinschränkungen. Über das, was die Schließungen und Auflagen mit ihren Existenzen gemacht haben. Berührend und authentisch. Niemand von ihnen hasserfüllt, schimpfend oder beleidigend. Das hat mich zutiefst beeindruckt. Solche Menschen geben Zeugnis davon, dass Frieden möglich ist.

Frieden braucht eine Ordnung, die auf Gerechtigkeit und Liebe aufbaut. Und da können wir eine ganze Menge beitragen. Diskutieren wir immer wieder, was gerecht ist, was dem Gemeinwohl dient. Und prüfen wir immer wieder, ob wir uns und den anderen Gutes wollen. Ob das „Ja“ zu uns und zum anderen steht. So wird dann klar, dass wir alle für den Frieden verantwortlich sind.

Also: „Lasst uns anstiften zur Frieden! Lasst uns Friedensstifter sein. Und es finden hier und heute viele Leute wieder Frieden.“

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