St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

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24. Dezember 2020 | Christus König Kirche

Predigt in der Festmesse am Heilig Abend

Liebe Schwestern und Brüder!

Immer wieder sprechen und schreiben Menschen, vor allem Reporter, im Zusammenhang mit Katastrophenmeldungen und ähnlichem von Auswirkungen „biblischen Ausmaßes“.

Wenn viel Geld investiert werden soll, spricht man manchmal auch von „Summen biblischen Ausmaßes“. Ist es ein Ausdruck für das Superlative, das uns in der Bibel begegnet? Ist dieser Ausdruck nur bezogen etwa auf die gewaltige Nachkommenschaft, die Gott dem Abraham verheißt, so zahlreich wie die Sterne am Himmel, wie die Sandkörner an allen Meeresstränden?

Oder ist dieser Ausdruck von den „biblischen Ausmaßen“ nur zu beziehen auf die großen Schlachten, von denen die Bibel berichtet, wo zigtausende Menschen den Tod fanden?

Wir finden sicherlich noch mehr Beispiele, wo dieser Ausdruck greift; wenn etwa im Buch Genesis berichtet wird, wie außer den Insassen der berühmten Arche Noah die ganze Welt in einer Sintflut versinkt……

Kann man in Bezug auf die Corona-Pandemie auch von einer Katastrophe „biblischen Ausmaßes“ sprechen?

Ich denke schon – denn die Zahlen an Infizierten, Kranken und Toten hat einen Stand erreicht, der bei den Katastrophen, die uns in der Heiligen Schrift begegnen, nicht zu finden ist…….

Aber, sind das alles „biblische Ausmaße“?

Ja und Nein! Zum einen ist Gott sicherlich der Allmächtige und Über-allem-Seiende; der, der nicht nur die Erde und was auf ihr ist, gemacht hat, sondern das ganze unermesslich große Weltall…….

Zum anderen aber hat dieser seit Ewigkeit Seiende und in Ewigkeit Bleibende allmächtige Gott immer schon einen Hang zum ganz Kleinen gehabt. – Zum Glück für uns, denn sonst würden wir Menschen, wir kleinen Wesen im unendlichen Universum wohl gar nicht erst auffallen……..

Aber nein; wir fallen auf – er, der große Gott, hat sich entschieden, sich von seiner gewaltigen Größe herab auf uns Winzlinge einzulassen und selbst ein Mensch zu werden.

Und er setzt noch einen drauf!

Er kommt nicht als erwachsener Mann, nicht als wortgewaltiger Herrscher menschlicher Art, nicht als wortgewaltiger Führer und charismatischer Gelehrter, nicht als unerreichter Wundertäter, - später sicher in gewisser Weise schon…….

….aber zunächst kommt er als ganz kleines Kind; und dann noch als solches, welches auch als Heranwachsender eher der Diener der Menschen sein wird, einer, der einst am Kreuz – nach menschlichem Ermessen – scheitern wird – auch da wieder der ganz kleine und hilflose sein wird…….

Er kommt als kleines Kind, liebe Schwestern und Brüder!

Welche Dimensionen mag dieses Jesus-Kind wohl gehabt haben, vor zweitausendundzwanzig Jahren als Kind eines armen Handwerkerehepaars auf der Durchreise? – Wahrscheinlich war er kleiner als die Kinder, die für gewöhnlich bei uns heute zur Welt kommen;

……zwischen 45 und 50 Zentimeter, vielleicht 5 Pfund schwer, mit einer relativ dunklen Hautfarbe, dunklen Augen, die noch meist geschlossen sind, wenige kleine glatte schwarze Haare auf dem Kopf, keine Zähne im Mund, die Windeln voll und schreiend;

- Auch das ist „biblisches Ausmaß“ – und zwar „biblisches Ausmaß“ ganz besonderer Art.

Gott hat es immer zum Kleinen, Schwachen, Hilflosen und Schutzbedürftigen hingezogen – weil wir Menschen nun mal so sind!

Gott ist geworden, wie wir sind, damit wir werden, wie er ist………………..

- Liebe Gemeinde, wenn das nicht ein Grund zum Feiern ist?!

Auch wenn in diesem Jahr alles ganz anders ist und uns vielleicht gar nicht so zum Feiern zumute ist, so verkündet der Engel von Betlehem doch

„eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll“ (Lk 2,10).

Manche Leute sagen zur Zeit nicht „Frohe Weihnachten“ - oder gar „fröhliche Weihnachten!“, sondern eher „trotz allem wünsche ich Ihnen gesegnete Weihnachten“.

Vielleicht trifft das auch besser, um welche Art von Freude es sich handelt: Um eine ganz tief im Herzen empfundene Freude am Geheimnis der Menschwerdung Gottes!

In der Adventszeit haben wir in unseren Kirchen Adventswege gehabt, auf die Sonntag für Sonntag Mitwirkende der Weihnachtsgeschichte auf den Weg kamen und uns etwas zu sagen hatten: die Könige, die Hirten, Ochs und Esel und schließlich die noch leere Krippe.

Er ist nicht mehr vorgesehen auf diesem Weg; wir sind am Ziel. Und doch möchte ich eine Figur noch hinzunehmen: den Verkündigungsengel.

Denn er hat den Hirten damals und uns heute, am Ziel unseres Adventsweges, dass alles Entscheidende zu sagen:

„Fürchtet euch nicht,
denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude,
die dem ganzen Volk zuteilwerden soll:
Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren;
er ist der Christus, der Herr.“ (Lk 2,10f.)

In der Weihnachtsgeschichte wird ansonsten kein einziges Wort gesprochen – nicht von Maria, nicht von Josef, von Jesus ohnehin nicht und auch die Hirten sprechen zunächst einmal nicht.

Vielleicht waren Menschen mit dieser Botschaft überfordert – da mussten es schon Worte von Engeln sein, von Boten, die Himmel und Erde verbinden.

In dieser Zeit und allen Zeiten, wo es immer etwas zu be-fürchten gibt, ist es gar nicht so leicht, die Worte des Engels anzunehmen: „Fürchtet euch nicht!“  Damit kann man angstbesetzten Menschen zunächst einmal auch nicht wirklich helfen…….

Aber diese Worte, „Fürchtet euch nicht!“ kommen in der Bibel 365mal vor – also für jeden Tag im Jahr einmal wird uns mitgeteilt, dass die Freude am Herrn und seiner Menschwerdung gegen jede Angst zu stehen vermag……

Und am Schluss reichen die Worte eines einzelnen Engels auch nicht mehr; da muss schon ein großes himmlisches Heer „biblischen Ausmaßes“ zur Verstärkung kommen und mitteilen:

„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ (Lk 2,14)

Das Wort „Heute“ und die geographische Bezeichnung „Stadt Davids“ aus der Botschaft des Engels machen deutlich: Hier geht es nicht um eine schöne Idee, einen Mythos oder ein Märchen….

Gott wird Mensch – hier und heute – ganz konkret!

Und dieses „Heute“ durchzieht den gesamten Weg Jesu; wie oft hat er „Heute“ gesagt: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“, das Wort der Propheten, dass die Armen und Gefangenen, die Kranken….Befreiung erfahren werden und „ein Gnadenjahr des Herrn ausgerufen“ wird. (Lk 24,43)

Und zu Zachäus sagt er, dass er „heute“ bei ihm einkehren muss und dass „heute“ das Heil in sein Haus gekommen sei. (Lk 19,6.9)

Und schließlich sagt er dem Mitgekreuzigten, der ihn um Vergebung bittet: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ (Lk 23,43).

Dieses „Heute“ bezieht auch uns mit ein; heute – an jedem Tag immer wieder begegnet uns Christus, der Herr; er begleitet uns, oft unmerklich und begegnet uns in unseren Mitmenschen….. im Wort der Heiligen Schrift und in den Sakramenten, die zu feiern wir immer wieder zusammenkommen, in uns selbst, die wir in der Taufe und Firmung auf den „Christus“, den „Gesalbten“ hin gesalbt worden sind und so einen direkten Anteil an ihm und seiner Sendung erhalten haben…..

Er begegnet und begleitet uns - auch in diesen schwierigen Zeiten der Corona-Pandemie…..

Liebe Schwestern und Brüder!

Es gibt so vieles zu bedenken und zu meditieren, um dem Geheimnis der großen Liebe Gottes zu uns Menschen auf die Spur zu kommen……

Lassen wir uns die Worte der Engel noch einmal zu Herzen gehen:

„Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; Er ist der Christus, der Herr. …………….. Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ (Lk 2,10,11.14)

Amen!

Predigt von Pfarrer em. Holger Kintzinger gehalten in der Festmesse zum Heiligen Abend in der Christus König Kirche