St. Willehad Katholische Kirchengemeinde Wilhelmshaven

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6. Dezember 2020 | ST. MARIEN KIRCHE

Predigt zum 2. Adventssonntag

Liebe Schwestern und Brüder!

Am vergangenen ersten Adventssonntag haben wir unseren Adventsweg auf Weihnachten zu begonnen mit den Heiligen drei Königen.

Da habe ich erzählt, dass wir vor einigen Jahren in Osterfeine St.Mariä Himmelfahrt eine neue Krippe angeschafft haben, weil die alte Krippe so heruntergekommen war.  Wir bekamen aus den Resten nicht mehr genug „Krippen-Personal“ zusammen. Im Januar, wenn die Könige angekündigt waren, mussten wir die Hirten zu Königen umziehen – wie gesagt: Was für eine Karriere: Gestern noch ein Hirte – heute ein König; wie in der bekannten Bierwerbung.

Und auf unserem diesjährigen Adventsweg ist es umgekehrt; bei der früheren alten Krippe in Osterfeine müssten wir die Könige zu Hirten umziehen, denn heute, am zweiten Advent, kommen die Hirten zum Zuge.

Wenn man in die Heilige Schrift schaut, dann begegnen uns 152 Textstellen, wo es um Hirten und ihre Herden geht. Mindestens!

Denn ich habe beim Blick in eine Konkordanz, einem Stichwortverzeichnis zur Bibel, die entsprechenden Stellen gezählt. Ich kann mich auch verzählt haben. „Tante Google“ übrigens wollte mir da keine Auskunft geben, was die Zahlen anbetrifft. Aber wir merken: dieses Motiv vom Hirten und seiner Herde kommt in der Bibel ziemlich oft vor.

Das verwundert vielleicht ein wenig, denn die Hirten waren ja nicht unbedingt die Speerspitze der Gesellschaft. Im Gegenteil, ihr Ansehen war sehr gering. Da hatten es die Sklaven noch besser; die waren zwar unfrei, aber sie hatten zu Essen und ein Dach über dem Kopf….die Tagelöhner und die Hirten aber mussten tagtäglich um ihr Überleben und das ihrer Familien kämpfen und zudem oft im Freien übernachten - die Hirten mussten ihre Herde bewachen und vor Raubtieren und Räubern beschützen…….

Dem Besitzer der Herde, dem galt sicherlich ein ganz anderes Ansehen – aber seinen Hirten?

Die waren auf einer der untersten Stufen der Gesellschaft angesiedelt.

Und dabei waren das sicherlich kompetente Leute – in ihrem Fach qualifiziert. Ich möchte mich mal sehen, wenn ich mit hunderten Schafen klarkommen soll – die würden schnell merken, dass ich damit völlig überfordert bin, mich austricksen und abhauen….. Aber die Hirten waren umsichtige Leute; sie gingen hinter ihren Herden her, hatten vielleicht gerade mal einen Hund zur Unterstützung. Die Hirten haben ihre Tiere gekannt und sie im Blick behalten, brauchten eine konzentrierte Wachsamkeit, um Gefahrensituationen zu erkennen, auszugleichen und zu umgehen.

Und sie mussten sich auch auskennen und zu helfen wissen, wenn die Tiere krank wurden; oder wenn Nachwuchs kam – immer wachsam für alle möglichen Gefahren und Grenzsituationen und immer irgendwie auch in Unsicherheit (auch vor eigener Erkrankung oder Verletzung)………

Dass mit der konzentrierten Wachsamkeit und latenten Unsicherheit kennen wir auch – schon ohnehin im Leben; mehr aber noch in der derzeitigen Coronazeit.

Diese Zeit kostet Kraft, ermüdet uns und kann uns manchmal auch ganz schön deprimieren. Die Hirten dieser Tage sind die Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger, das Ärztepersonal, Kassiererinnen und LKW-Fahrer und die Leute in den Rettungs- und Sicherheitsdiensten wie der Polizei, der Feuerwehr und den Rettungsdiensten……

Im März wurde ihnen ein neues Adjektiv zugesprochen: „Systemrelevant“.

Bestimmt hat es ihnen gutgetan, zu hören, das sie als systemrelevant und unentbehrlich eingestuft und wertgeschätzt wurden – sie wurde auf einmal gesehen und bekamen Beifall von den Balkonen und aus den Fenstern……….

Auch die Hirten der Weihnachtsgeschichte haben eine ganz besondere Wertschätzung erfahren: sie waren die ersten, die die Weihnachtsbotschaft von der Geburt des Messias hören durften. Und so gehen sie zur Krippe und beten an – und im Lukas-Evangelium hören wir, dass sie anschließend wieder zurückgehen – zu ihren Herden, an ihre Arbeit, in ihren Alltag. Das haben vielleicht die „Hirtinnen und Hirten“ unserer Tage auch so erfahren; nach dem Beifall und der Wertschätzung im Frühjahr kam ganz schnell der Alltag wieder; man ging wieder an die Arbeit – schön wäre es, wenn es uns gelingen würde, ihnen auch weiterhin eine gewisse Wertschätzung zuteilwerden zu lassen; schließlich sind sie ja „systemrelevant“…..

Johannes der Täufer, von dem wir gerade im Evangelium (Mk 1,1-8) gehört haben, war auch ein Hirte - aber eher einer im geistlichen Sinn; er hat keine Schafe geführt, aber Menschen zu Gott geführt.

Dabei hat er nicht viel Wesens um sich selbst gemacht, sondern tat seinen Dienst für jemanden anderen – dem will er gemäß einer alten Verheißung aus dem Buch Jesaja, die wir als Lesung (Jes 40,1-5.9-11) gehört haben, den Weg bereiten.

  •  bzw. er will die Menschen dazu aufrütteln, dem Herrn den Weg zu bereiten, ihm die Straße zu ihren Herzen zu ebnen…wie immer das bei einer Jeden, einem Jeden aussehen mag…. Und die Menschen ließen sich zum Zeichen ihrer Umkehr zum Herrn hin von Johannes im Jordan taufen……

Liebe Schwestern und Brüder!

Jetzt haben wir die Könige und heute auch die Hirten auf unseren Adventsweg geschickt; was für ein Gegensatz! Und beide haben ihren Platz in der Weihnachtsgeschichte, ihren Platz im Herzen Gottes – die Hirten mit ihrem systemrelevanten und doch entbehrungsreichen Alltag und ihrem Dienst und die Könige mit ihrer Wachsamkeit aber auch ihrer Demut, die sie an den Tag legen……

Und wir?

Wir müssen auch etwas von beidem haben: uns unserer von Gott geschenkten königlichen Würde und unserem Wert bewusst zum Dienst bereit – besonders zum Dienst an den Menschen, die uns anvertraut sind, wie die Schafe den Hirten anvertraut waren……

Schön, dass sich vor dem kleinen großen Gott über alle sozialen Unterschiede hinweg alle Menschen als Schwestern und Brüder finden – als von Gott geliebte Kinder, Könige und Hirten……

Amen!

Predigt von Pfarrer em. Holger Kintzinger gehalten im Gottesdienst in der St. Marien Kirche

 

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Predigten zu den Adventssonntagen 2020 von Pfarrer em. Holger Kintzinger